Das Ältere Futhark und Sein Ursprung

Inhaltsverzeichnis

  1. Germanien und Skandinavien
  2. Das Ältere Futhark
  3. Die Herkunft des Älteren Futharks
    1. Die Lateinische These
    2. Die Nordetruskische These
    3. Die Phönizische These
  4. Fazit und Ausblick

“Ich weiß, daß ich hing am windigen Baum

Neun lange Nächte,

Vom Sper verwundet, dem Odhin geweiht,

Mir selber ich selbst,

Am Ast des Baums, dem man nicht ansehn kann

Aus welcher Wurzel er sproß. Sie boten mir nicht Brot noch Meth;

Da neigt’ ich mich nieder

Aus Runen sinnend, lernte sie seufzend:

Endlich fiel ich zur Erde.”

(Simrock 1878, Kap. 10.)

So beschrieb der Skalde Snorri Sturloson den mythologischen Ursprueng der Runen in seiner Edda, wie auch Klaus Duewel schon bemerkte (vgl. Duewel 42016, S. 1). Die Schreiber der Runen selbst glaubten also an eine „göttliche Herkunft der Runen“ (ebd., S. 3). Ueber den tatsaechlichen Ursprung dieser Schriftzeichen besteht allerdings auch heute noch keine Einigkeit (vgl. ebd. S. 2 f.)

Die Runenschrift ist die älteste Form der Schrift in Nordeuropa (vgl. Spurkland 2010, S. 65). Diese Hausarbeit soll sich spezifisch mit der Herkunft derer aeltesten Form, des sogenannten aelteren Futharks, beschaeftigen und dabei die Argumente dreier prominenter Thesen im Einzelnen vorstellen, vergleichen und kritisieren. Die Loesung des Problems der Herkunft dieser Schrift behalte ich mir vor, im Fazit soll allerdings ein Ausblick auf moegliche Loesungen oer zumindest weitere Schritte in diese Richtung gegeben werden.

Traditionell wurde oftmals ein Vergleich zwischen der lateinischen, nordetruskischen und griechischen These vorgebracht, meistens in dieser Reigenfolge vom Wahrscheinlichsten zum Unwahrscheinlichsten (vgl. Duewel 42016, S. 3). Da die griechische These heute nur noch von einzelnen Experten vertreten wird (vgl. ebd.), will ich stattdessen die phoenzisische These, welche in der juengsten Vergangenheit vor Allem von Theo Vennemann vertreten wurde, mit in den Vergleich aufnehmen. Diese ist zwar nicht unbedingt plausibler als die Griechische, und kaempft mit dem selben Problem der jahrhundertelangen Fundleere, beantwortet aber viele andere Fragen, welche die vorher vorgebrachten Theorien nicht zu beantworten vermochten.

Zunaechst werde ich kurz den historischen Kontext deutlich machen und den zeitlichen Rahmen abstecken in welchem das aeltere Futhark entstand, woraufhin ich jenes selbst vorstelle. Danach werden die oben beschriebenen Thesen, sowie deren Argumente, vorgestellt und kritisiert, und schlussendlich soll der aktuelle Forschungsstand zusammengefasst und ein Ausblick auf zukuenftige Forschungsmoeglichkeiten gegeben werden.

Als Grundlage fuer diese Arbeit wurden vor allem wissenschaftliche Einfuehrungswerke in die Runologie, sowie Aufsaetze in runologischen, historischen und schrifthistorischen Fachzeitschriften verwendet. Dazu kommt das kurze Zitat aus der Edda zum Auftakt des Textes.

Germanien und Skandinavien

Als Entstehungsort der Runen, oder zumindest als verantwortlich fuer deren fruehe Verbreitung (vgl. Williams 2004, S. 270) wird heute allgemein von Nordeuropa ausgegangen, genauer gesagt dem Gebiet um das heutigen Daenemark (Juetland, die daenischen Inseln und Suedskandinavien), da die aeltesten Runendenkmaeler dort gefunden wurden (vgl. Duewel 42016, S. 3).

Recht eindeutig ist auch, wer die Runen geschrieben hat, da die aeltesen Schriftzeugnisse im Futhark vor allem in einem als „nordisch-westgermanische Spracheinheit“ oder „early runic“ bezeichneten Sprachverbund geschrieben wurden und die Sprecher somit Germanen oder zumindest der germanischen Sprache maechtig gewesen sein mussten. Spaeter liess sich dann auch zwischen Proto-Formen ostgermansicher und westgermanischer Sprachen unterscheiden (vgl. ebd., S. 14).

Waehrend die Verortung des Ursprungsortes sowie die grobe ethno-linguistische Zuordnung der Schreiber der ersten Runen relativ leicht faellt, muss je nach bevorzugter Theorie ein anderer Zeitpunkt fuer die Entstehung der Runen angenommen werden: Im Falle Theo Vennemanns phoenizischer These waeren die fruehsten Runen bereits “zwischen ca. 525 und 201 v.

Chr.23” (Vennemann 2006., S. 374) enstanden, im Falle der nordetruskischen Theorie am “end of the second century B.C.” (Mees 2015, S. 38), und im Falle der lateinischen These zur Zeit von intensivem germanisch-roemischen Kontakt, also nicht vor dem 1. Jhd. v. Chr. und wahrscheinlich erst im Verlauf des ersten und fruehen zweiten Jhds. n. Chr. Grob ergibt sich damit ein Zeitrahmen von ca. 700 Jahren, also waehrend der vorroemischen und roemischen Eisenzeit in Nordeuropa.

Zufolge Barry Cunliffe handelte es sich hierbei um “a time of immense social upheaval and readjustment.” (Cunliffe 2008, S. 317), welche zunachest von der Migration und Expansion der keltischen Staemme (vgl. ebd.) und daraufhin vom “rise of Rome as an imperial power” (ebd., S. 364) gepraegt war. Diese Expansion fuehrte unter Anderem auch zum Zusammenstoss der Roemer mit einer anderen Expansion aus dem Norden, naemlich der der Germanischen Staemme: Zunaechst der Zug der Kimbern und Teutonen (vgl. Krause 2005, S. 27 ff.), dann der Auftakt zum Gallischen Krieg mit der Schlacht zwischen Caesar und den Sueben unter Ariovistus (ebd., S. 61 ff.) und schliesslich den „Germanenkriegen unter Augusts“ (ebd. S. 80).

Fuer uns spielt die keltische Expansion im Kontext der Entstehung des aelteren Futharks keine Rolle, da die Kelten selbst zu dieser Zeit ueber keine bekannte Schrift verfuegten (vgl. Krause 2007, Vorwort), die als Vorlagealphabet fuer die Runen gedient haben koennte. Die roemische Expansion und in deren Kontext auch die Verbreitung der lateinischen Schrift dagegen ist von allergoesster Wichtigkeit fuer die lateinische These der Entstehung der Runen. Viele Germanen dienten bereits relativ frueh in der roemischen Armee (vgl. Spurkland 2010, S. 71)oder trieben Handel mit der Zivilbevoelkerung roemischer Provinzen welche an die Germania Magna angrenzten (vgl. ebd., S. 69) und lernten unter Umstaenden so zum ersten Mal die roemische Schrift kennen (vgl. ebd., S. 68), was Sie zum Entwurf Ihres eigenen Alphabets inspiriert haben koennte (vgl. ebd., S. 65).

Der Zug der Kimbern und Teutonen wurde ebenfalls in Zusammenhang mit einem moeglicher Ursprung des aelteren Futharks gebracht (vgl. Mees 2015, S. 38), da diese auf Ihrem Weg durch Gebiete kamen (vgl. Krause 2005, S. 29 ff.), in welchen zu diesser Zeit noch nordetruskische Alphabete geschrieben wurden (vgl. Mees 2015, S. 38). In diesem Kontext sei auch der Negauer Helm B zu erwaehnen, wessen Inschrift in germanischer Sprache, allerdings aber nicht in Runen sondern in einem nordetruskischen Alphabet verfasst worden ist (vgl. ebd. S. 44). Aus diesem Grund wird der Helm oft als Beispiel von Germanen, welche einer nordetruskischen Schrift maechtig waren, vorgebracht um den Anspruch der nordetruskichen These zu staerken (vgl. Mees 2015, S. 45).

Und schliesslich soll auch der historische Kontext der phoenizischen These Theo Vennemanns kurz erlaeutert werden, da diese zeitlich ein Extrem unter den hier vorgestellten Thesen darstellt: Wie bereits zu Anfang dieses Kapitels festgestellt, stammten die Runen laut dieser These aus einer Zeit vor der massiven roemischen Expansion nordwaerts und sogar vor dem Zug der Kimbern und Teutonen. Laut Vennemann stand „die Germania in Ihrer Vorgeschichte laengere Zeit unter karthagisch-phoenizischer Vorherrschaft“ ( Vennemann 2006, S. 374), welche er durch ein vermeintliches Superstrat einer semitischen Sprache, also in diesem Fall potentiell des Punischen, auf das Gemeingermanische begruendet. Zu dieser Zeit habe Karthago Handelsrouten und Handelsplaetze im atlantischen Norden ausgekundschaftet und gesichert (vgl. ebd.). Vennemann spricht von einer regelrechten „Kolonisation“, worauf wir im Kapitel 4.3 naeher eingehen werden.

Ueber das Gebiet, welches die Roemer spaeter Germanien nennen sollten, speziell uber dessen Norden – dem vermeintlichen Usprungsort der Runen – ist uns zu dieser Zeit nichts aus antiken Quellen bekannt, weswegen wir uns nur auf arachaeologische Quellen stuetzen koennen. Zu dieser Zeit hatte sich in diesem Gebiet die Jastorf-Kultur entwickelt (vgl. Willroth 2006, S. 193) gepraegt von einem recht einfachen Leben in Wohlstallhaeusern und dem Gebrauch von „Ackerbau und Viehzucht fuer den Lebensunterhalt“ (vgl. ebd., S. 193 f.). Abgesehen von den laendlichen Siedlungen im Norden gab es lediglich am Rande der Mittelgebirge „zahlreiche Befestigungen, deren Anlage auf suedliche Vorbilder zurueckgehen duerfte.“ (ebd., S. 197). Das diese Epoche bestimmende Eisen wuerde zunaechst noch aus dem keltischen Sueden importiert, bevor es dann von den Bewohnern des Nordens selbst gefoerdert wurde (vgl. ebd.), was allerdings ebenfalls nicht zu einem Ueberfluss des Rohstoffes fuehrte: Im Gegenteil weist die Bewaffnung der Einheimischen auf einen Mangel an Eisen hin (vgl. ebd., S. 201 f.). Luxuswaren scheinen hauptsaechlich aus dem keltischen Sueden importiert gewesen zu sein (vgl. ebd., S. 207 f.).

Ob man die Menschen innerhalb des Verbreitungsgebiets der Jastorf-Kultur schon „mit den fruehen Germanen“ verknuepfen kann, „wird heute weitgehend abgelehnt.“ (ebd., S. 208.)

Das Ältere Futhark

Abb. 1: Futhark auf der Steinplatte von KYLVER (nach Liestol 1981, S. 247). In: Duewel: Runenkunde, S. 2.)

Das ältere Futhark ist, wie bereits erwaehnt, die aelteste uns bekannte Runenreihe, benannt nach derer ersten fünf Buchstaben (th ist ein Zeichen im Runenalphabet, dazu an späterer Stelle mehr). Sie besteht aus 24 Runen genannten Schriftzeichen (Kawasaki 2017, S. 36), welche sich wiederum „aus Stab, Zweig und Haken“ (Duewel 42016, S. 5) zusammensetzen. Dieser Aufbau gibt den Runen ihre typische eckige Erscheinung, welche besonders zum Ritzen auf in der Natur vorkommende Materialien wie Holz und Stein geeignet ist (vgl. Arntz 2009, Kap. XII). Auch Tacitus berichet schon von der Praxis der frühen Germanen Zeichen in Holz zu ritzen (Tacitus 32009, S. 51).Venantius bestätigt dies nochmals im 6. Jhd. n. Chr. (vgl. Arntz 2009, Kap. XI).

Das neuhochdeutsche Wort „Rune“ selbst ist eine „gelehrte Neubildung des 17.Jhds. nach skand. Vorbild. In alter Zeit kommt es in allen germ. Einzelsprachen vor: got. Runa, altsächsisch, ahd. Runa(stab), ae. run, an. run, mhd. Rune mit der Grundbedeutung >>Geheimmnis<<.“ (Duewel 42016. S. 1). Gemeint sind damit im Kontext dieser Arbeit die Zeichen aus denen sich die diversen Runenreihen gebildet haben, spezifisch das aeltere Futhark.

Dieses war seit spaetestens 200 n. Chr in Gebrauch (vgl. ebd., S. 3), wenn auch der aelteste gesicherte, zweifellos in Runen geschriebene Fund zurueck bis ca 160 n. Chr. reicht, ein Kamm gefunden im Moor von Vimose. (vgl. ebd., S. 24). Ebenfalls von Interesse in Zusammenhang mit der Datierung des Ursprungs der ersten Runen ist die Fibel von Meldorf, deren Inschrift entweder proto-runisch oder lateinisch ist, datiert in die erste Haelfte des ersten Jhds. n. Chrs. (vgl. ebd. S. 23 f.). Laut Andersen „it is often assumed that a system of writing must have been forming for at least a century or so before the earliest surviving examples, so it might be concluded that the runic system was formulated at some point between the beginning of the RIA (c. 50 BC) and the time of the Øvre Stabu inscription.” (Andersen 2005, S. 1). Kurz zur Erklärung: Die Øvre Stabu Inschrift war zur Zeit der Verfassung von Andersens Arbeit die aelteste bekannte Runeninschrift, datiert auf ca. 175 n. Chr. (vgl ebd.). In Gebrauch blieb das aeltere Futhark in Skandinavien bis ca 700 n. Chr., woraufhin es vom juengren Futhark abgeloest wurde (vgl. Duewel 42016, S. 2) woher auch der Zusatz „aelter“ herruehrt. In England entwickelte sich das angelsaechsische Futhark aus dem Aelteren, welches es dann schließlich abloeste (vgl. ebd. S. 71).

Obgleich die ersten potentiellen Runenfunde bis ins erste Jahrhundert zurückreichen, begegnet uns die erste vollstaendige Runenreihen erst im 5 Jhd. n. Chr. auf der Steinplatte von Kylver (vgl. Arntz 2009., Kap. XII.).

Wie bereits erwaehnt setzt sich der Name des Futharks selbst, so wie beim lateinischen ABC oder dem griechischen Alphabet, aus den Lautwerten der ersten fuenf Buchstaben zusammen: F (Fehu), U (Uruz), Th (Thurisaz), A (Ansuz), R (Raido) und K (kaunan). Anders als beim lateinischen Alphabet hat jede einzelne Rune einen Namen, welcher im Anlaut dem jeweiligen Lautwert der Rune, auf welche sich bezogen wird, entspricht. In diesem Punkt gleicht das aeltere Futhark dem griechischen Alphabet, wessen Schriftzeichen bekanntermaßen auch eigene Namen besitzen. Im Gegensatz zu Selbigem handelt es sich bei den Namen der Runen allerdings nicht nur um bloße Bezeichnungen der einzelnen Lettern, sondern um Woerter mit einer festgelegten Bedeutung. So bedeutet Fehu „Vieh“, Uruz „Auerochse“, Thurisaz „Riese“, Ansuz „Ase“ , raido „Ritt“ und kaunan „Geschwuer, Krankheit“. Die ersten drei Bezeichnungen stehen metaphorisch, in dieser Reihenfolge, für den beweglichen Besitz, die „maennliche Kraft“ und die „unheimliche schadenbringende Macht“ (vgl. Duewel 2016, S. 197 ff.). Es sei hier noch kurz der Vollstaendigkeit halber erwähnt, dass es sich bei den der Ansuz-Rune entsprechden Asen um ein nordisch-germanisches Goettergeschlecht handelt (vgl. Golther 2013, Vorwort). Die Bedeutung von Raido und Kaunen erklärt sich von selbst (vgl. Duewel 2016, S. 197 ff.). Diese Bezeichnungen sowie deren Bedeutung und Aussprache koennen allerdings nicht als gesichert fuer das aeltere Futhark gelten, da diese erst seit dem 9. Jhd. belegt sind, also zu einer Zeit, als das aeltere Futhark schon außer Gebrauch war (vgl. Williams 2004, S. 263).

Die Runenreihe kann zwei individuellen Funden zufolge wiederrum „in drei Gruppen zu je acht Runen“ (Duewel 2016, S. 9), welche „an. aett fem >>Geschlecht<<, vielleicht auch >>Achterreihe<<, Pl. aettir“ (ebd.) genannt wird (an. steht hier fuer altnordisch), unterteilt werden. Diese Bezeichnung ist fuer die Zeit des aelteren Futharks allerdings ebenfalls nicht belegt (vgl. ebd.)

Arntz erwaehnt in Kapitel XII, dass die Runenreihe nicht seit der Erfindung der Runen exakt so augesehen haben muss, wie auf der Kylver Steinplatte dargestellt (vgl. Arntz 2009, Kap. XI I), ein aelterer Ursprung dieser Reihenfolge scheint auch Sinn zu machen, beachtet man, dass die anderen, wenig später gefunden Runenreihen in Ihrer Reihenfolge identisch oder zumindest sehr ähnlich gewesen sind (Vennemann 2006,S. 385). Auch in der Form der einzelnen Zeichen laesst sich eine gewissen Uniformitaet feststellen, obgleich es auch leichte Abweichungen gibt (vgl. Anderson 2005, S. 2). Nimmt man diese beide Indizien zusammen, deutet alles auf einen „point-origin“ (ebd.) des aelteren Futharks.

Verbreitet war diese Form der Schrift vor allem im skandinavischen Raum, hier auch deutlich am Längsten, erfreute sich aber auch in Deutschland, England, Island und anderen germanisch beseidelten Gegenden einiger Beliebtheit (vgl. Duewel 42016, S. 3). Laut Looijenga wurden die Runen urspruenglich vor Allem von einer sozialen Elite bzw „craftsmen“, welche Teil des Gefolge jener Elite waren, genutzt. Die Runen koennten durch diese umherziehenden Gefolgschaften auch in relativ kurzer Zeit eine solch grosse Verbreitung gefunden haben (vgl. Looijenga 1997, S. 14 f.).

Die Faehigkeit zu Schreiben galt in der germanischen Gesellschaft Looijengas Annahme zufolge eher als Statussymbol, und weniger als Mittel zur bloßen Kommunikation. „Mystification through inscribing letters“ hat eventuell auch eine Rolle gespielt (vgl. ebd.). Damit sei auch kurz etwas zum Zweck der Erfindung der Runen gesagt: Waehrend einige Runologen vor allem in der Vergangenheit von einem mystischen, religioesen oder auch „magischen“ Gebrauch der Runen gesprochen haben (vgl. Williams 2004, S. 269 f.), ueberwiegt mittlerweile deutlich der Anteil der Experten, welche von einer eher praktischen Motivation zur Schaffung dieses Schriftsystems ausgehen (vgl. Rausing 1992, S. 202). Leichter als den genauen Zweck zu definieren, faellt es festzuhalten, fuer was die Runen nicht verwendet wurden: „cult, administration, literature, law and so on.“ (vgl. Williams 2004, S. 270).

Geschrieben wurden die Runen, anders als im Lateinischen, nicht nur notwendigerweise von rechts nach links sondern auch von links nach rechts und auch in der sogenannten „ Pflugwendeform“ (Arntz 2009, Kap.V), d.h. abwechselnd von einer Seite zur Anderen und dann umgekehrt (beispielsweise von links nach rechts und darauf folgend in der naechsten Zeile von rechts nach links). Das Runenalphabet aehnelt damit in diesem Punkt archaischen Alphabeten wie beispielsweise den fruehen griechischen oder semitischen Schriften (vgl. Mees 2005, S. 68).

Archaeologische Funde belegen, dass die Runen „auf festem Material“ (Duewel 42016, S. 4) geschrieben wurden, wobei man hier zwischen losen Gegenständen „(Waffen, Schmuck, Amulette, Münzen, verschiedene Gebrauchsgegenstände)“ und den beruehmten Runensteinen unterscheidet (vgl. ebd).

Die Herkunft des Älteren Futharks

Schon Wilhelm Grimm war 1821 klar, dass die Runen keine eigenstaendige germanische Erfindung gewesen sein koennen, sondern es eine Vorlage gegeben haben muss (vgl. Grimm 1821, S. 125).

Im Folgenden soll es nun um drei verschiedenen Theorien zur Enstehung des aeltheren Futhark gehen, auf welche schon des Oefteren im Laufe des Textes verwiesen wurde: Der lateinischen, nordetruskischen und phönizischen These, in dieser Reihenfolge. Wie bereits erwaehnt ist der tatsächliche Ursprung der Runen immer noch ein Mysterium, auch weil uns Funde von einem möglichen „Übergangsalphabet“ noch fehlen (mit Ausnahme der bereits erwähnten Inschrift der Meldorf-Fibel, bei der man allerdings noch zu keinem wissenschaftlichen Konsens bezüglich des verwendeten Alphabets gekommen ist). Laut Duewel haben alle Theorien zur Entstehung der Runen drei grundlegende Gemeinsamkeiten: Die Runen entstehen nicht „aus dem Nichts oder aus rein germ. Vorraussetzungen.“ (Duewel 42016, S. 175), die Vorlage war ein mediterranes Alphabet (vgl ebd.) und „Ausganspunkt aller Ueberlegungen haben Raum und Zeit der aeltesten Runenueberlieferung zu sein.“ (ebd.).

Dazu sollte noch erwaehnt werden, dass die Uniformitaet der Runen ueber den grossen Raum Ihrer Streuung auf einen einzelnen, und nicht mehrere unabhaenige Urspruenge schliessen laesst (vgl. Andersen 2005, S. 2).

Diese Voraussetzungen treffen neben den drei Theorien, welche in dieser Arbeit verglichen und kritisiert werden sollen, auch auf die Griechische zu, welche aber nicht mehr von einer besonders großen Anzahl von Experten vertreten wird (vgl. Duewel 42016, S. 3). Da sich die nordetruskische und vor allem lateinische These immer noch großer Beliebtheit erfreuen (vgl. ebd.), will ich diese beiden mit der von Theo Vennemann verfechteten phoenizischen These vergleichen, welche eine moegliche Loesung für einige bisher ungeloeste Probleme bietet, auf welche im dritten Teil dieses Kapitels naeher eingegangen werden soll.

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