Die Herkunft der Alemannen

Bachelorarbeit im Fachschwerpunkt Geschichte im

Bachelorstudiengang Kulturwissenschaften

Fernuniversität in Hagen

vorgelegt von:

Marcel Biehringer

Endnote: 1.0

1 Einleitung

Fragen nach der eigenen Identität sind ein essentieller Bestandteil des Mensch-Seins. Wie sich der Einzelne definiert hängt auch von der sozialen Gruppe ab, zu welcher man sich zugehörig fühlt (vgl. Brather 2000, S. 158). Naheliegende Gruppen sind allen voran die Familie, die Freunde und in vielen Fällen auch die Arbeitskollegen (vgl. Meier 20217, S. 110). Im Gegensatz zu diesen Kategorien, welche als engeres Umfeld definiert werden können, werden wir beim Kontakt mit Menschen, welche nicht aus dem selben Land (oder gar der selben Region) stammen wie man selbst, oftmals zunächst über ethno-linguistische bzw. ethno-kulturelle Gruppenbezeichnungen, die einen sehr viel größeren Umfang besitzen, beispielsweise „Deutsch“ oder „Englisch“, „Bayrisch“ oder „Cornish“, identifiziert und wir identifizieren unser Gegenüber auch entsprechend (vgl. Brather 2000, S. 161).

In dieser Arbeit soll es um die Entstehung einer solchen ethnischen Gruppe gehen, nämlich um die Alemannen. Lange Zeit wurde in der Forschung angenommen, dass diese neue Gruppe, welche zuerst in der Spätantike auftauchte, den Limes als geschlossene Einheit überrannte um daraufhin in einer als „Landnahme“ interpretierten Besiedelung grob das Gebiet des heutigen Südwestdeutschen Raumes und zum Teil auch benachbarte Regionen in Besitz nahmen. Bei diesem Stamm habe es sich um einen „old Suebian tribe under a new name“ gehandelt (Drinkwater 2007, S. 43 f.), eine Annahme, welche zumindest teilweise auf die spätere Gleichsetzung von Alemannen und Sueben zurückzuführen ist. Bei den Sueben wiederum handelt es sich um eine der frühesten, schriftlich belegten germanischen Gruppen, wobei dem aktuellen Forschungsstand zufolge immer noch unklar ist, wer oder was die Sueben genau gewesen sind (vgl. Pohl 20042, S. 91 f.).

Generell scheint der Großteil der Forschung heute davon auszugehen, dass sich germanische Sprache(n?) und Kultur(en?) wahrscheinlich im heutigen Norddeutschland, möglicherweise ausstrahlend nach Jütland und Südskandinavien (vgl. Pohl 20042, S. 47; Brather 2004, S. 177, S. 224, Forston IV 20102, S. 338) bildeten. Dabei handelte es sich um einen längeren Prozess, von dem aufgrund charakteristischer Lautwandel davon ausgegangen wird, dass er erst Mitte des ersten Millenniums v. Chr. abgeschlossen war (vgl. Pohl 20042, S. 47), wenn man bei solchen Prozessen überhaupt von Abschlüssen sprechen kann (vgl. Wolfram 2011, S. 629). Dass diese, hauptsächlich auf linguistischen Charakteristika basierende Datierung problematisch ist, sollte offenkundig sein. In diese Zeit wird jedenfalls i.d.R. die erste germanische Lautverschiebung datiert, welche die germanischen Sprachen aus der hypothetischen, proto-indo-europäischen Ursprache ausgliederte. Da derzeit angenommen wird, dass diese Sprache, sofern sie tatsächlich existiert hat, bereits tausende Jahr zuvor ausgestorben war bzw. sich in diverse andere Ableger weiterentwickelt hatte, kann davon ausgegangen werden, dass sich diese Lautverschiebung über einen sehr langen Zeitraum hinweg vollzogen hatte und mehrere Phasen des Lautwandels durchlief (vgl. Forston IV 20102, S. 338 ff.).

Von den im vorangegangen postulierten Ursprungsgebieten der germanischen Sprachen und Kulturen im nördlichen Mitteleuropa und möglicherweise Südskandinavien breiteten sich diese aus, mitunter auch in südliche Richtung in vormals von antiken Ethnographen als keltisch identifiziertes Gebiet, wie diverse Konfrontationen mit den Römern belegen (vgl. Steuer 2021, S. 1057 ff.; Pohl 20042, S. 11 ff.). Diese kulturellen Verschiebungen, über deren Umfang und Signifikanz in der Forschung immer noch debattiert wird, gerade auch im Hinblick auf ethnische Veränderungen und deren Zusammenhang mit tatsächlichen Migrationen, begannen bereits Jahrhunderte vor der sog. Völkerwanderungszeit mit dem Zug der Kimbern und Teutonen im zweiten vorchristlichen Jahrhundert von Jütland bis nach Italien (vgl. Drinkwater 2007, S. 30 ff.; Meier 20217, S. 115). Darauf folgte die Südwestbewegung diverser, hauptsächlich als suebisch (vgl. Pohl 20042, S. 12)kategorisierter Verbände ins heutige Elsass im folgenden Jahrhundert unter dem als germanisch identifizierten rex Ariovist, welcher dort auf den römischen Feldherren Gaius Iulius Caesar traf und von diesem schließlich besiegt und vertrieben wurde (vgl. Steuer 2021, S. 51). Erst mit der Unterwerfung Galliens durch Caesar wurden die Germanen als „Völker“ der antiken Ethnographie zwischen Kelten im Westen und Skythen im Osten wirklich fassbar (vgl. Heather 2009, S. 21; Brather 2000, S. 163; Brather 2004, S. 166 ff.). Dass es sich dabei hauptsächlich um eine Erfindung mit politischem Hintergrund seitens Caesars handelte ist in der Forschung heute unbestritten (vgl. Steuer 2021, S. 33; Pohl 20042, S. 45; Brather 2004, S. 174 ff.).

Diese Wanderbewegungen größerer oder kleinerer Verbände intensivierten sich – zumindest aus der Perspektive der Römer – ab dem Ende des zweiten Jahrhunderts und dauerten bis ins frühe Mittelalter an. Aus diesem Grund wird traditionell von der Mitte des dritten Jhds. n. Chr. bis zur Eroberung Italiens durch die Langobarden gegen Ende des sechsten Jhds. von der Völkerwanderungszeit gesprochen (vgl. Steuer 2021, S. 127). Dass der Anfang dieser Periode auch früher angesetzt werden könnte, wurde bereits gezeigt. Auch nach „Ende“ der sog. Völkerwanderungen gab es noch erhebliche ethno-kulturelle und ethno-linguistische Veränderungen innerhalb Europas, vor allem im Osten mit der Verbreitung der slawischen Kulturen und Sprachen aber auch mit der Expansion skandinavisch-nordgermanischer Gruppen in praktisch alle Himmelsrichtungen (vgl. Heather 2009, S. 25; Steuer 2021, S. 127). Die Menschheitsgeschichte im Allgemeinen, wurde von Seiten mancher Forscher festgestellt, ist eine Geschichte der Migration (vgl. Steuer 2021, S. 70 f.; Halsall 20145, S. 455). Daher ist die Vorstellung einer spezifischen Periode, in welcher größere Gruppen von Menschen ihren Wohnort wechselten, irreführend, da dies ein Phänomen ist, welches sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte zieht. Darüber hinaus ist auch die Vorstellung der Wanderung ganzer Völker heutzutage umstritten. Während man in der älteren Forschung durchaus davon ausging, dass ganze Stämme mitsamt Frauen, Kindern und Alten auf einmal ihre Sachen packten und zu neuen Siedlungsgebieten aufbrachen, gilt diese Annahme mittlerweile als überholt (vgl. Steuer 2021, S. 82). Auf welche Art und Weise, aus welchem Grund und in welchem Umfang Migrationen in der Spätantike und im frühen Mittelalter stattfanden ist allerdings noch immer nicht abschließend geklärt.

In dieser Arbeit soll nun eine dieser postulierten Wanderungen, nämlich jene derjenigen Menschen, welche später von den Römern als Alemannen bezeichnet werden sollten, und die darauf folgenden Prozesse der „Landnahme“ und der Ethnogenese im Detail untersucht werden. Bei dieser Gruppe handelt es sich um einen der neuen, sog. „Großstämme“, welche teilweise auf dem Gebiet der Germania Magna und teilweise auf ehemals provinzialrömischen Boden ab dem dritten Jahrhundert n. Chr. historisch fassbar werden (vgl. Drinkwater 2007, S. 43 ff.). Von besonderem Interesse ist hierbei die Frage nach der Herkunft der von den Römern als „germanisch“ (vgl. Pohl 20042, S. 26 f.) identifizierten Siedler und deren Interaktion mit der gallo-römischen Restbevölkerung – wenn es eine solche in signifikanter Form gab – auf dem nunmehr aufgegebenen Gebiet der ehemaligen Provinzen Germania Superior und Raetia. Herausgefunden werden soll auch, falls möglich, ob und in welchem Umfang diese Bevölkerung an der Formierung der neuen Gruppe beteiligt war. Der Prozess der Ethnogenese selbst steht hierbei natürlich im Vordergrund; es spricht einiges dafür, dass es vor der fränkischen Herrschaft überhaupt keine vereinte Alamannia, und damit auch keinen geeinten alemannischen Stamm gab, bestenfalls Teilstämme – selbst das ist jedoch umstritten (vgl. Geuenich 2005, S. 92). Die Aufgabe des obergermanisch-rätischen Limes und eine erste, darauf folgende „Landnahme“ ereigneten sich im vorangeschrittenen dritten, sowie über das gesamte vierte Jhd. hinweg. Ob man hier schon von einer tatsächlichen, „ersten“ Ethnogenese sprechen kann, ist fraglich und wird die zu beantwortende Frage im ersten Hauptteil dieser Arbeit sein. Ob die Alemannen, wenn es sie zu diesem Zeitpunkt in ihrem Selbstverständnis gar nicht gab, lediglich ein römisches Konstrukt waren, soll in diesem Kontext auch untersucht werden (vgl. Nuber 2011, S. 376 ff.; Drinkwater, S. 177 ff. 2007; Steuer 2011, S. 276).

Zuvor sollen allerdings noch einige methodologische und begriffliche Probleme, die bei dieser Untersuchung berücksichtigt werden müssen, angesprochen werden, darunter zum einen die Begriffe der Alemannen, der Völkerwanderung und der Ethnogenese selbst, zum anderen die Schwierigkeit der Zuordnung archäologischer Funde zu Ethnien und Migrationen und die Probleme bei der Interpretation historischer Quellen zur Geschichte der Alemannen.

Im zweiten Hauptteil dieser Arbeit wird dann eine von manchen Forschern als „zweite Ethnogenese“ bezeichnete Phase der Entwicklung der Bevölkerung des von den Römern aufgegebenen Dekumatlandes untersucht werden (vgl. Steuer 2011, S. 283), welche sich der Argumentation dieser Untersuchung nach zum größten Teil im fünften Jhd. vollzog. Zu dieser Zeit werden die Alemannen zum ersten Mal auch als Sueben bezeichnet (vgl. Drinkwater 2007, S. 48). Aus welchem Grund diese Alternativbezeichnung zu diesem Zeitpunkt auftauchte und wieso sie sich letztendlich vor dem Begriff der Alemannen als Primärbezeichnung der Bewohner Alemanniens (!) durchsetzte, wird ebenfalls erörtert werden. Abgeschlossen wird der zweite Hauptteil mit einem Versuch der Beantwortung der Frage, ob die Alamannia tatsächlich erst in der Konfrontation mit oder nach der Unterwerfung durch die Franken zu einer inneren Einheit gefunden und somit den Prozess der Ethnogenese abgeschlossen hatte (vgl. Geuenich 2005, S. 92).

Übergreifendes Ziel der Arbeit soll es sein, die oft in einen spätantiken und einen frühmittelalterlichen Teil getrennt voneinander behandelten Phasen der Entstehungsgeschichte und der Entwicklung der Alemannen zu vereinen und zu demonstrieren, dass es sich bei jenen um eine Ausnahme unter den wandernden Gruppen der Völkerwanderungszeit handelte. Zum Ersten aufgrund der relativ – im Vergleich zu Goten, Vandalen, den später iberischen Sueben und auch den Langobarden – kurzen Distanz, die von den Siedlern zurücklegt wurde (vgl. Steuer 2021, S. 134 ff.), zum Zweiten aufgrund der Natur der Migration, welche sich über Jahrhunderte hinweg aus verschiedenen Regionen Nordostmitteleuropas und Osteuropas vollzog (vgl. ebd., S. 1057; Theune 2004, S. 233) und zum Dritten und vielleicht Signifikantesten aufgrund des Umstandes dass es hier kein bereits bestehendes Volk, keinen zuvor existierenden Stamm gab, der von fernen Ufern in eine neue Heimat aufgebrochen ist, sondern dass es sich hierbei um Menschen gehandelt hat, welche erst am Ziel zu einer ethnischen Einheit zusammengewachsen sind – und das wiederum über einen Zeitraum von vielen Jahrhunderten hinweg (vgl. Steuer 2011, S. 317).

Bevor die Arbeit mit einem Fazit abgerundet wird, in welchem die Ergebnisse noch einmal zusammengefasst und erörtert werden, soll in einem Exkurs noch auf die Möglichkeiten und die Schwierigkeiten der immer noch relativ neuen Methoden der Archäo- und der Populationsgenetik im Kontext der Forschung zu Migration und Ethnogenese hingewiesen werden. Bedauerlicherweise gibt es zu den populationsgenetischen Entwicklungen des antiken und frühmittelalterlichen südwestdeutschen Raumes bisher kaum Studien, weswegen auch auf Studien zu anderen historischen Migrationen zurückgegriffen wird, darunter die Besiedelung Islands durch Skandinavier, Schotten und Iren und die Besiedelung Englands durch die Angelsachsen. Diese Auswahl soll das Potential der genetischen Forschung für die Migrationsforschung und für die Untersuchung des Phänomens der Ethnogenese, natürlich auch im Bezug auf die Alemannen, aufzeigen aber auch auf die damit einhergehenden Gefahren hinweisen.

Abgesehen von der in diesem letzten Teil überschaubaren Auswahl genetischer Studien wird für die Durchführung dieser Untersuchung hauptsächlich auf geschichtswissenschaftliche Aufsätze, sowie auf Monographien zu den Alemannen selbst, zur Ethnogenese und zur Völkerwanderungszeit, veröffentlicht in den letzten 30 Jahren (bis auf wenige Ausnahmen, darunter Wenskus wegweisendes Werk zur Stammesbildung), zurückgegriffen werden. Natürlich wird auch, wo immer sinnvoll, auf archäologische Studien zum Mitteleuropa der Völkerwanderungszeit, sowie zu Migrationen und Ethnogenese im Allgemeinen, zurückgegriffen.

2 Begriffliche und methodologische Probleme

Wie bereits kurz in der Einleitung erwähnt wurde sind vor der eigentlichen Untersuchung zur Ethnogenese der Alemannen einige begriffliche und methodologische Probleme zu klären. Hierbei geht es vor allem um die zentralen Begriffe der Arbeit selbst, namentlich den der Alemannen, der Ethnogenese und der Völkerwanderung und um deren Verhältnis zur historischen Wirklichkeit, soweit diese dem aktuellen Forschungsstand zufolge überhaupt rekonstruiert werden kann. Daraufhin soll kurz auf das Problem des Umgangs mit den größtenteils griechisch-römischen Schriftquellen zu den Alemannen hingewiesen werden, gefolgt von einer kurzen Auseinandersetzung mit den Schwierigkeiten der Archäologie bzgl. der Zuordnung archäologischer Fundstücke zu ethnischen Gruppen und deren Identifikation im archäologischen Fundbild. Das Ziel ist es hierbei, zunächst klare Definitionen für die teilweise mehrdeutigen zentralen Begriffe dieser Arbeit zu erarbeiten und daraufhin aufzuzeigen, wie das eigentliche Objekt dieser Untersuchung, die Ethnogenese der Alemannen, methodisch angegangen werden kann, auch unter Zuhilfenahme der Archäologie.

2.1 Begriffliche Probleme

Zunächst eine Formalität: Der Autor hat sich dazu entschieden, die Schreibweise ‘Alemannen’ statt ‘Alamannen’ zu verwenden, hauptsächlich aufgrund des Arguments Geuenichs, dass „Niemand […] mit derselben Begründung [bezogen auf die vorherrschende Schreibweise von Stammesnamen in antiken bzw. frühmittelalterlichen Quellen] heute ‘Francen’ oder ‘Saxen’ schreiben“ (Geuenich 20052, S. 21) würde. Im größten Teil der jüngeren, deutschsprachigen Forschungsliteratur scheint sich diese Schreibweise ebenfalls durchgesetzt zu haben (vgl. Steuer 2021, S. 409; Pohl 20042, S. 4), wenn nicht von den Alamanni in lateinischer Form die Rede ist (vgl. Steuer 2021, S. 1015; Pohl 20042, S. 102).

Unabhängig von der Schreibweise ist das Problem der Deutung der Bezeichnung selbst. Es besteht kein Zweifel daran, dass es sich dabei – zumindest der Etymologie nach – um ein germanisches Wort handelt (vgl. Geuenich 20052, S. 20). Zur genauen Bedeutung und zum Ursprung des Namens gibt es allerdings unterschiedliche Ansichten. Eine These lautet, dass es sich beim Begriff der Alemannen um ein Endonym handelt, also um eine Eigenbezeichnung der Bewohner des von den Römern als Alamannia bezeichneten Gebiets für sich selbst, in welchem Fall der Name wahrscheinlich für die kühnen (vgl. Steuer 2011, S. 275), vollwertigen (vgl. Castritius 2011, S. 360) Menschen oder Männer an sich steht (vgl. Geuenich 20052, S. 20; Steuer 2021, S. 1075). Eine alternative Interpretation schlägt Castritius vor, wenn er den Alemannennamen auf eine ursprünglich semnonische Kultgemeinschaft um den – Tacitus zufolge – göttlichen Stammvater aller Germanen zurückführt. Der Alemannenbegriff geht dieser Theorie zufolge auf diesen Gott, namentlich „Mannus“, zurück, und die Alemannen verstanden sich als Anhänger dessen Kults (vgl. Castritius 2011, S. 354 ff.). Die Verbindung zwischen Semnonen und Alemannen stellt Castritius hierbei durch die auf einer Weihinschrift bezeugten Verbindung von Semnonen und Juthungen her. Letztere Bezeichnung wurde u.a. als „Abkömmlinge“ (von den Semnonen) gedeutet. Da die Juthungen später als Teil der Alemannen aufgeführt wurden stellt Castritius die Gleichung Semnonen – Juthungen – Alemannen auf (vgl. ebd., S. 349 ff.). Wieso diese Gleichsetzung problematisch ist wird noch deutlich werden, vorerst reicht es aus, darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Juthungen, wenn überhaupt, lediglich um einen Teilstamm der Alemannen gehandelt hat (vgl. Geuenich 1997, S. 75). Die Beziehung zwischen Juthungen und Semnonen ist indes auch nicht eindeutig geklärt. Semnonen könnten durchaus zumindest teilweise in den Alemannen aufgegangen sein (vgl. Castritius 2011, S. 362), alle drei Gruppen gleichzusetzen vereinfacht die Sache allerdings zu sehr, wie im Kapitel zu den Teilstämmen aufgezeigt werden wird.

Einer anderen These zufolge handelt es sich beim Begriff der Alemannen um ein Exonym, also um eine Fremdbezeichnung, entweder anderer Germanen oder der Römer für die neuen Siedler im Dekumatland und war – zumindest wenn es sich dabei um eine Bezeichnung anderer Germanen für die Neuankömmlinge im Südwesten gehandelt hat – eher abschätzig gemeint. Dieser Annahme zufolge wird der Alemannenname als „Zusammengespülte und vermengte Menschen“ (Geuenich 20052, S. 20) interpretiert, und zwar schon in der Spätantike (vgl. Steuer 2011, S. 275; Castritius 2011, S. 354 ff.). Dies wirft die Frage auf, ob es die Alemannen als solche überhaupt gab, denn dass sich eine ethnische Gruppe mit ihrem eigenem Namen selbst als vermischt beschreibt ist im Kontext der antiken Ethnographie unwahrscheinlich (vgl. ebd.). Es besteht die Möglichkeit, dass es sich bei den Alemannen lediglich um ein römisches Konstrukt zum einfacheren Umgang mit den germanischen Nachbarn gehandelt hat. In diesem Szenario war jeder Germane, der jenseits des Oberrheins siedelte, aus Sicht der Römer Alemanne, während jeder, der jenseits des Niederrheins siedelte, Franke war (vgl. Geuenich 20052, S. 19, Brather 2004, S. 192). Es ging also nicht um die ethnische Herkunft der Neuankömmlinge, sondern darum, wo sie den Römern begegneten.

Die Festlegung des Begriffs wird weiter dadurch erschwert, dass uns die Alemannen ab dem fünften Jahrhundert nicht nur unter dieser Bezeichnung, sondern auch unter dem älteren Stammesnamen der Sueben entgegentreten (vgl. Drinkwater 2007, S. 46 ff.; Hummer 1998, S. 19).Zur selben Zeit finden wir allerdings auch Sueben innerhalb des römischen Reichs wieder (vgl. Hummer 1998, S. 13 ff.). Aus welchem Grund diese Gleichsetzung vorgenommen wurde und wieso erst zu diesem Zeitpunkt und nicht früher ist nicht abschließend geklärt und hängt auch von der Deutung des Alemannennamens selbst als Exo- oder Endoym ab. Auf die Gleichsetzung von Sueben und Alemannen wird im Zusammenhang mit der sog. zweiten Ethnogenese noch näher eingegangen werden.

Etwas einfacher bzw. heutzutage eindeutiger in seiner Handhabung als der Begriff der Alemannen ist der der Völkerwanderung und der nach selbiger benannten Völkerwanderungszeit. Wie in der Einleitung bereits ausgeführt wurde, gilt die Idee von wandernden Völkern heutzutage in den meisten Fällen als überholt, zumindest wenn man davon ausgeht, dass die gesamte Bevölkerung einer Region auf einmal zu neuen Ufern aufbrach. Vielmehr wird die Völkerwanderung heute als gradueller Prozess interpretiert (vgl. Steuer 2021, S. 1162), in welchem es zwar durchaus auch zu Bewegungen größerer Menschengruppen kommen konnte (vgl. Halsall 20145, S. 417), jedoch nicht in jedem Fall musste (vgl. Meier 20217,105 ff.). Im Allgemeinen kann der Schluss gezogen werden, dass die verschiedenen „Wanderungen“ – ob es nun zu tatsächlich Migrationen in großem Umfang kam oder nicht – der zumeist noch relativ jungen ethnischen Gruppen der Völkerwanderungszeit nicht pauschal, sondern individuell zu behandeln sind (vgl. Geary 2020, S. 21; Keller 2021, S. 100). Der Prozess, welcher zur Reichsgründung der Vandalen in Nordafrika führte war sicherlich ein anderer als jener, welcher die „Anglizierung“ großer Teile Britanniens zur Folge hatte. Trotz des kontroversen Status des Begriffs wird der Autor auch von jenem Gebrauch machen, da sich dieser sowohl im Deutschen, als auch in einigen anderen Sprachen (wenn auch bezeichnenderweise nicht in allen, so z.B. den romanischen Sprachen, wo von den „barbarischen Invasionen“ gesprochen wird (vgl. Meier 20217, S. 100)), eingebürgert hat und in der Forschung immer noch, wenn oft auch in Anführungszeichen, verwendet wird.

Zu guter Letzt soll noch der Begriff der Ethnogenese und in diesem Zusammenhang der Begriff der Ethnie angesprochen werden. Diese Konzepte sind für die geschichtswissenschaftliche Forschung der Spätantike und des frühen Mittelalters von großer Bedeutung, vor allem im Hinblick auf das relativ plötzliche Auftauchen der neuen, sog. Großstämme. Im Laufe der Völkerwanderungszeit verschwanden viele der von den Römern als gens oder nationes (vgl. Meier 20217, S. 103)bezeichnete Völkerschaften jenseits von Rhein und Donau (vgl. Steuer 2011, S. 282) und wurden langsam durch die Großstämme der Sachsen, Franken, Alemannen, Bajuwaren und Thüringer ersetzt, um einige der Prominentesten zu nennen. Freilich verschwanden nicht alle der älteren, oftmals als Stämme interpretiere Völkerschaften, wie am Beispiel der Langobarden zu sehen ist, und manche tauchten nach einiger Zeit sogar wieder auf, so die bereits mehrfach erwähnten Sueben in der Alamannia und in Iberien. Was genau unter den lateinischen Begriffen gens oder nationes verstanden wurde und ob die mit diesen Begriffen bezeichneten Gruppen überhaupt als Ethnien interpretiert werden können ist unklar und ist selbstverständlich auch abhängig von der Definition des Begriffes Ethnie selbst (vgl. Meier 20217, S. 103; Wolfram 2011, S. 608 f.). In Teilen der Forschung hat sich in Anlehnung an Wenskus und seinen Nachfolgern die Annahme etabliert, dass es sich bei ethnischen Gruppen in erster Linie um Personen handelt, welche ein Zusammengehörigkeitsgefühl zueinander entwickelt haben, eine Art Gruppenidentität. Die zur Gruppe Zugehörigen identifizieren sich miteinander und distanzieren sich von anderen, die nicht zur Gruppe gehören und aufgrund bestimmter Merkmale ausgeschlossen werden. Welche Merkmale zur Gruppenzugehörigkeit qualifizieren und welche nicht kann von Gruppe zu Gruppe variieren, gemein sei allerdings oft der Glaube an eine gemeinsame Abstammung und die zentrale Stellung eines sog. „Traditionskerns“ (Wenskus 1961, S. 75 ff.). Unter diesem wird in der Forschung i.d.R. eine oder mehrere bedeutende Familien- oder „clan-artige“ Verbände verstanden, welche durch militärische Erfolge immer größer werdende Gefolgschaften anziehen und durch einen Ursprungsmythos, verbunden mit dem Traditionskern, an Selbigen gebunden werden. Dieser Mythos wird über Generationen hinweg weitergegeben und führt so zum bereits erwähnten Glauben an eine gemeinsame Abstammung (vgl. Gillet 2006, S. 244 ff.; Wenskus 1961, S. 2 ff.). In diesem Sinne können Ethnien als hauptsächlich politische Einheiten verstanden werden, welche oftmals aus Gruppen heterogener Herkunft bestehen bzw. hervorgegangen sind (vgl. Wolfram 2011, S. 609 f.). Ob es sich bei den Alemannen um eine Ethnie in diesem Sinne gehandelt hat kommt also darauf an, ob es ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Bevölkerung der Alamannia zueinander gab und, falls ja, ob dieses auf einen Traditionskern und/oder einen Ursprungsmythos zurückzuführen ist.

Bevor auf die methodologischen Schwierigkeiten bei der Durchführung dieser Untersuchung hingewiesen wird, soll kurz noch auf den Gebrauch von Begriffen, welche mit Ethnien assoziiert werden im Rahmen dieser Arbeit hingewiesen werden. Begriffe wie ‘Volk’ und ‘Stamm’ implizieren eine fortgeschrittene, ethnische, soziale und kulturelle Kohäsion und Identität innerhalb einer Gruppe, welche für die Alemannen nicht einfach vorausgesetzt werden kann. Daher wird, wann immer möglich, auf diese Begriffe verzichtet und stattdessen neutral von Gruppen (vgl. Brather 2004, S. 32) oder von dem – im Gegensatz zu Volk und Stamm (vgl. Meier 20217, S. 98) – ungenaueren Begriff der Völkerschaften gesprochen, vor allem wenn von mehreren Gruppen unklarer ethnischer Herkunft die Rede ist.

2.2 Methodologische Probleme

Nachdem nun die begrifflichen Schwierigkeiten behandelt worden sind und diese durch im Rahmen dieser Arbeit zu verwendende Definitionen nutzbar gemacht wurden sollen im Folgenden die methodologischen Probleme angesprochen werden.

Das größte Problem, welches sich beim Umgang mit Ethnien Mittel- und Nordeuropas in der Antike und im Frühmittelalter entgegenstellt, ist jenes der Identifikation. Wenn davon ausgegangen wird, dass eine Ethnie – wie im vorherigen Kapitel definiert – durch ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl bzw. -bewusstsein identifiziert werden kann, dann stellt sich unweigerlich die Frage, wie dieses ausfindig gemacht werden soll (vgl. Wolfram 2011, S. 630). Es ist gemeinhin bekannt, dass die Völkerschaften jener Regionen selbst keine schriftlichen Zeugnisse in nennenswertem Umfang hinterließen, wenn man von einigen wenigen Ausnahmen gegen Ende bzw. unmittelbar nach der Völkerwanderungszeit absieht. Darüber hinaus fehlen für die Alemannen eigene schriftliche Überlieferungen komplett, sieht man von einigen kurzen Runeninschriften ab, welche ohnehin wenig aussagekräftig für die vorliegende Untersuchung sind (vgl. Düwel 20084, S. 56 f.). Die einzigen Schriftquellen, auf welche wir Zugriff haben, sind somit solche griechisch-römischer Schriftsteller, die ihre Informationen allerdings oft aus zweiter Hand erhielten und aus ihrer eigenen Perspektive schrieben – oftmals auch mit eigener Agenda (vgl. Gillet 2006, S. 248 ff.; Brather 2004, S. 117 ff.). Dazu kommt, dass die Deutung römischer Begriffe für ethnische Gruppen nicht immer eindeutig ist, wie bereits angesprochen wurde. Dennoch sollten diese Quellen bei der Untersuchung der Ethnogenese nicht unbeachtet bleiben. U.a. die Monographie zur Geschichte der Alemannen von Geuenich oder Drinkwaters Werk The Alamanni and Rome 213-496 zeigen, dass bei einer kritischen Auseinandersetzung mit jenen Quellen durchaus auch hilfreiche Schlüsse auf die sozialen und ethnischen Strukturen jenseits des römischen Reichs gezogen werden können (vgl. Geuenich 20052; Drinkwater 2007).

Aufgrund der Schwierigkeit der Interpretation der Quellen und deren relativ geringen Anzahl ist es dennoch notwendig, andere Disziplinen in die geschichtswissenschaftliche Forschung miteinzubeziehen, allen voran die Archäologie. Diese hat aber im Kontext mit Ethnien eigene Probleme zu bewältigen. So weisen archäologische Funde gleicher oder ähnlicher Machart in zwei Gebieten zur selben Zeit nicht unbedingt auf eine Wanderbewegung einer Bevölkerung von einem in das andere Gebiet hin, sondern sagen grundsätzlich erst einmal nur aus, dass es diese Gegenstände nun in einem größeren Gebiet oder in zwei Gebieten gleichzeitig gab. Welche Schlüsse daraus gezogen werden können, ist nicht immer einfach zu bestimmen. Handelt es sich dabei lediglich um Kommunikationsräume, verbunden mit bzw. durch Verkehrs- und Handelsbeziehungen? Vielleicht um eine regional ausgedehnte Heiratspolitik, welche zwar für die Bewegung von Menschen spräche, allerdings nicht im Umfang einer „Völkerwanderung“ (vgl. Roth 2011, S. 633; Brather 2004, S. 162 ff.)? Oder gab es tatsächlich substantielle Migrationen von einem Ort zum anderen (vgl. Steuer 2011, S. 289 ff.)? Steuer zufolge kann im speziellen Fall der Alemannen, da die Römer den Schriftquellen zufolge nicht wissen, woher diese neuen Siedler ursprünglich gekommen sind, ausschließlich (!) die Archäologie bei der Beantwortung dieser Frage helfen (vgl. ebd., S. 277).

Trotz der Schwierigkeiten bei der Identifikation ethnischer Gruppen im archäologischen Fundbild können in manchen Fällen, so David Anthony, Schlüsse auf ethno-linguisitsche Entwicklungen, darunter explizit auch Migrationen, aus archäologischen Funden gezogen werden: „Where we see a very clear material-culture frontier— not just different pots but also different houses, graves, cemeteries, town patterns, icons, diets, and dress designs—that persists for centuries or millennia, it tends also to be a linguistic frontier.“ (Anthony 2007, S. 16 f.). Sprache muss nicht unbedingt mit Ethnie zusammenfallen, dies gilt vor allem für die Annahme, dass alle Sprecher einer bestimmten Sprache zur selben Ethnie gehören (vgl. Brather 2004, S. 206). Anthony spricht allerdings immer wieder von ethno-linguistischen Gruppen, Entwicklungen oder Migrationen, weswegen davon ausgegangen werden kann, dass auch hier nicht nur von einer sprachlichen Grenze, sondern auch von einer ethno-kulturellen Grenze die Rede ist (vgl. Anthony 2007, S. 102 ff.).

Wenn also eine archäologische Kultur, wie die elbgermanische, welche aus der Jastorf-Kultur hervorgegangen ist und über Jahrhunderte hinweg bestand (vgl. Steuer 2021, S. 89), auf einmal in verstärktem Maße in einem zuvor von dieser Kultur wenig berührten Areal vorgefunden wird, und diese sich dort dann wiederum für Jahrhunderte festsetzt (vgl. ebd., S. 1060 ff.;. Drinkwater 2007, S. 45 ff.; Steuer 2011, S. 316 f., Schach-Dörges 1997, S. 79 ff.), können wir – zumindest wenn man Anthony folgt – davon ausgehen, dass es sich hierbei auch um eine ethno-linguistische Verschiebung gehandelt hat, welche wahrscheinlich auch Migrationen beinhaltet hat. Lediglich der Umfang und der genaue Ablauf der Migration(en) bleibt unklar und wird in den folgenden Kapiteln zu untersuchen sein.

Anthony erwähnt bei seinen Ausführungen auch einige der Migrationen, welche in der Völkerwanderungszeit stattgefunden haben (sollen), so die Besiedelung Großbritanniens durch (hauptsächlich) Angeln, Sachsen und Jüten und das Eindringen germanisch(-alemannischer(?)) Siedler in die Nordschweiz (vgl. Anthony 2007, S. 102 ff.). Natürlich ist die Identifikation der Jastorf-Kultur, sowie ihrer benachbarten und ihrer Nachfolge-Kulturen, mit „Germanen“ im weitesten Sinne umstritten (vgl. Brather 2004, S. 178 ff.), Anthony argumentiert jedoch, dass es wahrscheinlich ist, dass sich diese ethno-linguistisch von der weiter südlich dominanten, oftmals mit Kelten identifizierten Hallstatt-Kultur, auch ethno-linguistisch unterschied (vgl. Anthony 2007, S. 104 f.). Wenn wir Brather folgen, sind „ethnische Interpretationen“ für ethnische „Großräume […] relativ unproblematisch“ (Brather 2000, S. 165, S. 205). Vielleicht kann bei der Jastorf-Kultur und ihren benachbarten Kulturen von einem solchen ethnischen Großraum gesprochen werden, auch wenn Zweifel hieran aufkommen, bedenkt man die heterogene Natur der verschiedenen Jastorf-Untergruppen und die Schwierigkeiten bei der klaren Abgrenzung zu anderen, u.a. als keltisch interpretierten Kulturen, wie der aus der Hallstatt-Kultur hervorgegangenen Latène-Kultur (vgl. Brather 2004, S. 180 ff.). Im Angesicht des heterogenen politischen und ethno-kulturellen Charakters Germaniens seit den ersten ausführlicheren Schilderungen dieser Region durch Caesar dürfte es allerdings nicht verwundern, wenn die Jastorf-Kultur und ihre benachbarten archäologischen Gruppen ein gewisses Maß an Heterogenität zeigen. Da es „die Germanen“ als solche nie gegeben hat, ist dies sogar zu erwarten. Die wahrgenommenen Ähnlichkeiten, welche dennoch zu einer, wenn auch nicht unbedingt klaren, Abgrenzung der Jastorf-Kultur und ihrer Nachbarn zur Latene-Kultur geführt haben, könnten allerdings ein Indiz – so wie Anthony postuliert hat – für die ethno-linguistischen Unterschiede größerer Kulturräume zueinander sein. Wenn also davon ausgegangen werden kann, dass sich archäologische Kulturen in manchen Fällen, wie bei der Jastorf- und der nachfolgenden elbgermanischen Kultur, bestimmten großen bzw. mehreren näher verwandten ethno-linguistischen Gruppen oder Großgruppen zuordnen lassen, so stellt sich als nächstes die Frage, ob und wie Wanderbewegungen solcher Gruppen bzw. Teile Selbiger im archäologischen Fundbild nachvollziehbar sein könnten.

Anthony zufolge zeichnen sich Migrationen relativ großen Umfangs folgendermaßen in archäologischen Funden ab: „(1) the sudden appearance of a new material culture that has no local antecedents or prototypes; (2) a simultaneous shift in skeletal types (biology); (3) a neighboring territory where the intrusive culture evolved earlier; and (4) […] the introduction of new ways of making things, new technological styles, which we now know are more “fundamental” (like the core vocabulary in linguistics) than decorative styles.“ (ebd., S. 111). Das erste, sowie das dritte dieser Kriterien scheinen mit dem Auftauchen elbgermanischer Funde im Dekumatland erfüllt zu sein. Auf das zweite, anthropologisch-biologische Kriterium wird nicht eingegangen werden. Stattdessen wird auf das Potential und die Gefahren genetischer Untersuchungen im Zusammenhang mit der geschichtswissenschaftlichen Forschung, speziell im Hinblick auf Migrationen, in Kapitel Fünf zurückzukommen sein. Grund hierfür ist die steigende Popularität der Genetik als Werkzeug der historischen Forschung, vor allem außerhalb Deutschlands, im Gegensatz zur „traditionelleren“ Anthropologie. Das letzte Kriterium der Einführung neuer Technologien wird im Zuge des nachfolgenden Kapitels zur sog. ersten Ethnogenese der Alemannen im Zusammenhang mit den Prozessen des „Limesfalls“ und der „Landnahme“ behandelt werden, wobei hervorzuheben ist, dass die Migration selbst, sowie die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung des Dekumatlandes des dritten und vierten Jhds. im Vordergrund stehen werden und auf spezifisch technologische Entwicklungen nur in diesem Kontext eingegangen werden wird.

3 Erste Ethnogenese

Lange Zeit wurde angenommen, dass die Alemannen bereits im Jahr 213 n. Chr. zum ersten Mal in den Schriftzeugnissen auftauchten. In der Forschung hatte sich dann allerdings die Meinung durchgesetzt, hierbei handele es sich um eine Rückprojektion einer späteren Abschrift oder aber einfach um eine Fehlinterpretation eines anderen Begriffes (vgl. Goltz 2004, S. 99). Bleckmann stellte allerdings schon 2002 fest, dass bei einer näheren Auseinandersetzung mit dem Quellenmaterial mehr für die Ersterwähnung der Alemannen im Jahr 213 spricht als dagegen (vgl. Bleckmann 2002, S. 147 ff.; Goltz 2004, S. 102). Auch Meier ging neuerdings davon aus, dass die Alemannen wahrscheinlich schon zu dieser Zeit, im Bezug auf die selben Quellen, belegt sind. Dies wiederum würde bedeuten, dass bereits vor dem Limesfall eine erste Ethnogenese der Alemannen stattgefunden hatte (vgl. Meier 20217, S. 322 f.), oder aber dass Römer Germanen jenseits des obergermanisch-rätischen Limes bereits vor der Aufgabe der rechtsrheinisch-norddanubischen Teile der Provinzen als solche bezeichneten (vgl. Goltz 2004, S. 102 ff.). Auf diese Möglichkeiten wird im Laufe der Arbeit und vor allem im Zusammenhang der Alemannen als mögliches römisches Konstrukt zurückzukommen sein.

Die früheste, zweifelsfrei gesicherte Nennung der Alemannen geht auf das Jahr 289 n. Chr. zurück und bezieht sich auf den Einfall mehrerer germanischer Stämme in Gallien, welche von Kaiser Maximianus Herculius erfolgreich zurückgeschlagen wurden (vgl. Nuber 2011, S. 368; Nuber 1997, S. 59 f.; Geuenich 1997, S. 74). Hieraus und aus anderen Quellen, welche das ehemals römische Gebiet bereits 297 als Alamannia bezeichnen (vgl. Goltz 2004, S. 100), kann gefolgert werden, dass es spätestens gegen Ende des dritten Jhds. n. Chr. bereits Menschen in dieser Region gegeben hat, welche von den Römern als Alemannen identifiziert worden sind. Ob es sich hierbei um Neuankömmlinge gehandelt hat und – falls ja – diese bereits sesshaft geworden sind, oder ob es sich dabei um Überbleibsel romanisierter germanischer (vgl. Steuer 2021, S. 1059 ff.) und/oder gallo-römischer Bevölkerungsteile der ehemaligen Provinzen oder um eine Kombination dieser Elemente handelte, wird Gegenstand dieses Kapitels sein. Hierbei soll auch versucht werden, die Frage zu beantworten, ob sich diese Menschen – welcher ethno-kulturellen Herkunft auch immer – bereits als Alemannen verstanden haben oder anders ausgedrückt, ob es die Alemannen zu diesem Zeitpunkt überhaupt schon außerhalb der römischen Perspektive gegeben hat. Hierbei wird grob chronologisch vorgegangen, wobei zunächst der sog. „Limesfall“, also die Zeit der Aufgabe des obergermanisch-rätischen Limes um 260 n. Chr. (vgl. Goltz 2004, S. 100), im Zusammenhang mit den Alemannen erörtert wird. Daraufhin wird untersucht werden, woher die Neuankömmlinge überhaupt erst gekommen sind, worauf im Anschluss die „Landnahme“, also die phasenweise Aufsiedelung der Region (vgl. ebd., S. 100 f.), anhand eines von David W. Anthony aufgestellten Modells zur Migration nachgestellt und in diesem Kontext erörtert wird, ob hier schon von einer ersten Ethnogenese gesprochen werden kann. Das vorletzte Kapitel in diesem ersten Hauptteil der Arbeit behandelt die mögliche Existenz sog. Teilstämme der Alemannen, woraufhin im Kontext eines Zwischenfazits erörtert wird, ob es sich bei den frühen Alemannen lediglich um ein römisches Konstrukt gehandelt hat.

3.1 „Der Limesfall“

In den Jahren bzw. Jahrzehnten um 260 n. Chr. hat sich die römische Verwaltung und Armee erstmals seit Augusteischer Zeit zum größten Teil hinter den Rhein und die Donau als „nasse“ Grenzen des Imperiums zum Barbaricum zurückgezogen, auch wenn dies keinesfalls das Ende imperialen Einflusses jenseits der Grenzen bedeutete (Whittaker 19972, S. 196 ff.). Während in der älteren Forschung noch angenommen wurde, dass dieser Rückzug Roms hauptsächlich mit steigendem Druck in Form germanischer Bedrohungen von jenseits des Limes erklärt werden konnte, wird heute überwiegend davon ausgegangen, dass dies nur ein, wahrscheinlich weniger schwer ins Gewicht fallender, Faktor bei der Entscheidung der Grenzverlegung gewesen ist. Tatsächlich waren wohl interne römische Konflikte der Hauptgrund für die Aufgabe der rechtsrheinisch-norddanubischen Gebiete, allen voran der Bürgerkrieg zwischen dem Usurpator Postumus und dem Kaiser Gallienus, welche die Inkorporierung Rätiens ins gallische Sonderreich für einige Jahre vor der Aufgabe dieser Teile der Provinzen zur Folge hatte. Demnach handelt es sich bei den Ereignissen um das Jahr 260 nicht um den Limesfall, sondern um dessen systematische Aufgabe zur Konsolidierung der Kräfte des Reiches (vgl. Nuber 1997, S. 60 ff.; Geuenich 1997, S. 76; Meier 20217, S. 323; Goltz 2004, S. 100 f.).

Bereits vor dem Rückzug Roms gab es eine aufgrund archäologischer Funde und teilweise auch schriftlicher Quellen als germanisch interpretierte Präsenz im heutigen Südwestdeutschland, sowohl dies- als auch jenseits des Obergermanisch-Rätischen Limes (vgl. Drinkwater 2007, S. 33-42;Steuer 2021, S. 1059 ff.), Frank zufolge bestanden im zweiten vorchristlichen Jhd. sogar schon germanische Siedlungen innerhalb der Region (vgl. Frank 1997, S. 69), also mindestens ein halbes Jahrhundert bevor mit Caesar zum ersten Mal ein Römer den Rhein überschritt. In welchem Umfang diese Bevölkerung innerhalb der römischen Provinzen Obergermaniens und Rätiens zum Zeitpunkt der Verlegung des Limes noch vorhanden war, ist allerdings schwer zu sagen, da davon ausgegangen werden kann, dass diese zumindest zu Teilen einem Romanisierungsprozess unterlag (vgl. Spieckermann 2008, S. 307 ff.), welcher sie archäologisch ununterscheidbar von eingewanderter oder einheimischer gallo-romanischer Bevölkerung machte (vgl. Steuer 2021, S. 1061). Dass es nennenswerte Konzentrationen germanischer Siedler gab ist jedoch anzunehmen, wie am Beispiel der Neckarsueben deutlich wird (vgl. ebd.; Pohl 20042, S. 18). Es erscheint dennoch unwahrscheinlich davon auszugehen, dass germanische Gruppen zur Zeit der Herrschaft Roms (oder davor) jemals die Mehrheit der Bevölkerung ausgemacht haben, da es dafür sowohl zu wenige archäologische Anzeichen als auch schriftliche Hinweise gibt. Das Gros der Bevölkerung der Provinzen vor dem Limesfall dürfte aus romanisierten Kelten bestanden haben, welche entweder schon seit Jahrhunderten ansässig waren oder aber seit der römischen Erschließung der Region von den Nachbarprovinzen eingewandert sind (vgl. Von Schnurbein 1992; Spieckermann 2008, S. 309). Nach der Etablierung der römischen Präsenz diesseits des Rheins hat der Wohlstand Roms wahrscheinlich schon früh auch Menschen jenseits der Grenze angezogen, unter jenen viele Germanen, welche u.A. als Wachposten am Limes eingesetzt worden sind. Manche, wenn auch bei Weitem nicht alle, haben sich in der Folge für ein Leben auf römischer Seite der Grenze entschieden und sogar Karriere in der römischen Armee gemacht (vgl. Spieckermann 2008, S. 307).

Die relativ friedliche Koexistenz von Romanen und romanisierten Germanen und Kelten scheint um die Zeit des sog. Limesfalls zu enden, zumindest ist ein Anstieg von Gewalt zu verzeichnen. Teile der Bevölkerung haben ihre Wohnsitze in relativer Hast verlassen, wie mehrere Hortfunde in der Nähe von Villen und Kastellen, datiert in diese Zeit, aufzeigen. Grund hierfür waren wahrscheinlich zumindest teils vermehrte Germaneneinfälle aus Innergermanien und teils die politischen Entwicklungen innerhalb des römischen Reiches, welche auch Räten erfassten und die Abberufung vieler Soldaten zur Folge hatte (vgl. Steuer 2021, S. 1073; Nuber 1997, S. 60 ff.). Es ist auch durchaus denkbar, dass sich die Einfälle der Germanen gerade aufgrund der innenpolitischen Schwierigkeiten Roms in ihrer Anzahl und in ihrem Ausmaß steigerten. Wie bereits dargestellt wurde dienten Germanen zu dieser Zeit bereits (und bekanntlich auch schon Jhde. zuvor, man nehme Arminius als prominentes Beispiel) in der römischen Armee und standen oftmals noch im Kontakt zur Heimat(vgl. Steuer 2021, S. 1033 ff.). Neuigkeiten werden sich auf diese Weise relativ schnell verbreitet haben, was manche Kriegerverbände in Germanien sicher auszunutzen wussten.

Im Gegensatz zur älteren Forschung, welche davon ausgegangen ist, dass sich die Alemannen im Vorfeld des Limes bildeten und diese als geschlossene Einheit überrannten, bevor sie das Hinterland für sich in Besitz nahmen und besiedelten, wird heute davon ausgegangen, dass zunächst nur relativ wenige Menschen aus Germanien nach dem weitgehenden Abzug des römischen Militärs in das ehemalige Provinzgebiet vordrangen, und dann wahrscheinlich zumeist auch nur temporär (vgl. Geuenich 1997, S. 76;). Dabei handelte es sich wahrscheinlich um die bereits erwähnten Kriegerverbände, hauptsächlich aus dem elbgermanischen Gebiet des heutigen Nordostdeutschlands und Thüringens, welche die Region als Sprungbrett für Raubzüge in wohlhabendere Gebiete des Reichs, wie Gallien und Italien, nutzten, und daraufhin wieder in ihre Heimat zurückkehrten (vgl. Drinkwater 2007, S. 46 ff.). Mit der Zeit scheinen einige dieser Verbände sesshaft geworden zu sein und gründeten erste Siedlungen (vgl. ebd., S. 80 ff.). Der Zuzug neuer Siedler aus dem Inneren Germaniens scheint dabei nie vollständig abgerissen zu sein, vollzog sich allerdings in Phasen und nicht, wie früher angenommen, auf ein Mal (vgl. Schach-Dörges 1997, S. 79 ff.). Woher diese neuen Siedler kamen und welche Rolle eine mögliche provinziale Restbevölkerung der Agri Decumates bei der Entstehung dessen, was Rom Alemannen nennen sollte, spielte, wird nun erörtert werden.

3.2 „Die Herkunft“

Woher kamen die Menschen, welche Rom spätestens ab dem Ende des dritten Jhds. n. Chr. als Alemannen bezeichnete? Steuer merkt zurecht an, dass die Alemannen erst auf dem ehemaligen römischen Provinzgebiet entstanden sind und die Frage nach deren Herkunft deshalb falsch gestellt ist. Die Alemannen kommen nirgendwo her, sie sind im Dekumatland erst entstanden. Man kann allerdings fragen, woher die Individuen und Verbände stammten, die an der Ethnogenese dieser neuen Gruppe beteiligt waren (vgl. Steuer 2011, S. 317; Geuenich 1997, S. 74).

Wie bereits angesprochen wurde gab es bereits vor dem Limesfall, ja sogar bevor die Römer überhaupt erst im heutigen Südwestdeutschland ankamen, bereits Gruppen in dieser Region, welche aufgrund archäologischer Ähnlichkeiten aus dem heutigen Mitteldeutschland zu stammen scheinen oder zumindest mit diesem Gebiet in Verbindung standen. Seit 80 v. Chr. gibt es Anzeichen für das „Ende der keltischen Oppida-Kultur“ und „einen Wechsel der Bevölkerung von den Kelten zu den Germanen, was parallel zu dem Vordringen Roms unter Caesar geschehen ist;3828 und die neue Besiedlung ging von Mitteldeutschland aus und schuf eine Kontinuität zwischen diesem Raum und Süddeutschland. Wenn Caesar also die Bewohner rechts des Rheins nicht mehr als Kelten, sondern insgesamt als Germanen bezeichnet hat, dann hat er damit tatsächlich eine neu entstehende Realität erfasst.“ (Steuer 2021, S. 1057). Zumindest ein Teil der frühen germanischen Siedler im später römischen Gebiet scheint damit aus der selben oder benachbarten Regionen gekommen zu sein, wie die nachfolgenden Siedler ab dem dritten Jhd. n. Chr. (vgl. Steuer 2021, S. 1062). Einige dieser Germanen könnten nach der Aufgabe der Gebiete jenseits von Rhein und Donau dort zurückgeblieben sein und bildeten vielleicht „die Basis der neuen Besiedelung“, verstärkt durch Neuankömmlinge von jenseits der ehemaligen Grenze aus der alten Heimat (vgl. ebd., S. 1059; Nuber 2011, S. 379). Nuber hält es für möglich, dass es diese romanisierten Germanen waren, welche für den Forstbestand des Münzverkehrs und einiger Siedlungen sowie deren lateinische Namen nach dem „Limesfall“ verantwortlich waren (Nuber 2011, S. 374 f.), wobei allerdings prinzipiell nichts dagegen spricht, dass beides auch durch romanische bzw. romanisierte Bevölkerungsgruppen am Leben gehalten wurde. Wenn es unter dieser Restbevölkerung Germanen gab, besteht die Möglichkeit, dass diese noch in Kontakt mit Verwandten oder Bekannten im Landesinneren standen und diese über die Entwicklung im Südwesten auf dem Laufenden hielten, eine Möglichkeit, auf welche später noch im Hinblick auf die „Landnahme“ zurückzukommen sein wird. Darüber hinaus könnten die ersten Siedler aus dem Inneren Germaniens auch durch das Verlangen, Karriere innerhalb der römischen Armee zu machen, motiviert gewesen sein (vgl. Halsall 20145, S. 418 ff.). Wie bereits erwähnt wurde, fanden sich in den Kastellen am Limes u.A. auch germanische Hilfstruppen (vgl. Theune 2004, S. 199) und im vierten Jhd. n. Chr. machen Germanen vermehrt, darunter auch sehr prominent Alemannen, Karriere in der römischen Armee (vgl. Drinkwater 2007, S. 145 ff.).

Wenn davon ausgegangen wird, dass das Phänomen der neuen archäologischen Kultur im Dekumatland durch tatsächliche Migration erklärt werden kann, stellt sich die Frage, auf welche Art und Weise eine solche Bewegung stattgefunden haben könnte. Sicherlich kann nicht mehr von einer Migration im Sinne einer „Völkerwanderung“ gesprochen werden, dennoch legt die Anzahl der Funde, vor allem ab der zweiten Hälfte des vierten Jhds. (vgl. Drinkwater 2007, S. 82 ff.; Theune 2004, S. 199 f.), einen Zustrom in nennenswertem Umfang nahe, wobei es natürlich schwer ist von archäologischen Funden allein auf exakte oder annähernd exakte Bevölkerungszahlen zu schließen. Was jedoch auffällt, ist, dass sich das archäologische Fundmaterial mit der Zeit häuft und dass dieses scheinbar auch aus unterschiedlichen Regionen stammt (vgl. Böhme 1996, S. 90 f.). Daraus kann geschlussfolgert werden, dass sich die Aufsiedelung des Dekumatlands über mehrere Jahrhunderte hinweg vollzog, und dass hierbei verschiedene Phasen der Besiedelung mit teilweise unterschiedlichen Siedlern unterscheidbar sind, und das auch schon lange Zeit vor und auch während Roms Herrschaft im Südwesten: „Nach einer ersten Welle aus den Gebieten an Oder und Warthe, also der Przeworsk-Kultur, folgte bald eine zweite aus dem Thüringer Becken, und diese Einwanderung ging in den nachfolgenden Jahrhunderten ständig weiter. Im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. sind es dann Leute der rhein-weser-germanischen Kultur, die sicherlich schon aus diesen verschiedenen „Schichten“ der Einwanderer bestanden haben.“ (Steuer 2021, S. 1068). Rhein-Weser-Germanen siedelten vor der Aufgabe des Limes bereits in dessen unmittelbarem Vorfeld, also in dem Gebiet, welches später der nördlichste Teil der vor-merowingerzeitlichen Alamannia werden sollte (vgl. Frank 1997, S. 69). Hier ist nach der Aufgabe des Limes auch mit einigen ostgermanischen, Drinkwater zufolge wahrscheinlich burgundischen Siedlern zu rechnen (vgl. Drinkwater 2007 S. 85, S. 131 f.). Weiter südlich scheint die Bevölkerung eher aus dem Elbe-Oder Gebiet gekommen zu sein, einschließlich „Mecklenburg, Mitteldeutschland und Böhmen“ (Steuer 2021, S. 1072 f.), zunächst verstärkt aus Mecklenburg und teilweise auch aus Böhmen und dann ab dem vierten und fünften Jhd. n. Chr. aus Mitteldeutschland (vgl. Steuer 2011, S. 301). Das relativ große Herkunftsgebiet deutet auf den multiethnischen Ursprung der Siedler hin, auch wenn angemerkt werden sollte, dass es sich hierbei um benachbarte Gebiete handelte. Ein Austausch welcher Art auch immer – ob nun kulturell, sozial, ökonomisch oder anderweitig – der verschiedenen ethnischen Gruppen, welche in diesen Arealen lebten, ist durchaus möglich und könnte erklären, wieso die Siedler vermehrt aus eben diesen Gebieten und nicht aus den weiter westlich, östlich oder südlich liegenden Arealen stammten. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass keinesfalls von einer systematischen Absprache die Rede ist, sondern lediglich ein Informations- bzw. Kommunikationsnetzwerk zwischen den Bevölkerungsgruppen dieses Teils Nordostmitteleuropas postuliert wird. Ob es sich hierbei auch um kulturell und linguistisch enger miteinander zusammenhängende Populationen gemäß der kontroversen Gleichsetzung Elbgermanen – Sueben gehandelt hat, ist fraglich und dem aktuellen Forschungsstand zufolge nicht eindeutig nachzuweisen(vgl. Pohl 20042, S. 90). Interessant in diesem Kontext ist natürlich die spätere Gleichsetzung von Sueben und Alemannen in den historischen Schriftquellen und der Umstand, dass sich erstere Bezeichnung langfristig durchgesetzt hat. Dass sich die neuen Bewohner des Dekumatlands als Angehörige der selben oder verwandter Gruppen verstanden, kann nicht nachgewiesen werden. Es muss allerdings festgehalten werden, dass, anders als bei den Franken, es kaum Anzeichen auf Konflikte zwischen verschiedenen alemannischen Gruppen gibt (vgl. Drinkwater 2007, S. 126), was vielleicht dahingehend interpretiert werden kann, dass man sich über eine gewisse kulturelle Nähe bewusst war.

Nach relativ spärlichen Anzeichen germanischer Besiedelung nach der Aufgabe des Limes im dritten und der steigenden Anzahl archäologischer Funde im vierten Jhd. erfolgte spätestens bis 450 n. Chr. Steuer zufolge „überall eine Aufsiedlung durch Alamannen“ (Steuer 2021, S. 1060), welche hauptsächlich „aus der gesamten Zone zwischen Elbe und Oder kommen, vom östlichen Holstein, von der Ostseeküste bis nach Böhmen“ (Steuer 2011, S. 316). Ähnlich resümiert auch Wolfram, wenn er sagt, dass die Menschen, welche von den Römern als Alemannen bezeichnet werden, zum größten Teil „aus dem Nordosten Mitteleuropas“ kamen (vgl. Wolfram 2011, S. 633). Dies geht auch mit einem allmählichen Bevölkerungsrückgang in dieser Region einher (vgl. Steuer 2011, S. 306; Theune 2004, S. 198).

Ob und in welchem Umfang eine römische Restbevölkerung zurückblieb, ob es sich dabei nun um romanisierte Germanen, Kelten oder Menschen mit anderem ethno-kulturellen Hintergrund aus anderen Provinzen des Reichs oder jenseits davon handelte, kann „nicht befriedigend“ geklärt werden, doch scheint es noch bis ins fünfte Jhd. vereinzelt römische Präsenzen innerhalb der Alamannia gegeben zu haben. Städte wie Ladenburg standen sogar noch bis zur Mitte des Jhds. unter römischer Herrschaft (vgl. Steuer 2021, S. 1075 ff.). Diese letzten Reste des römischen Verwaltungsapparates haben sich allerdings nicht sehr viel länger halten können, was angesichts der Krisen innerhalb des Reiches nicht weiter verwunderlich ist. Drinkwater merkt an, dass es in der Alamannia, im Gegensatz zum benachbarten Gallien, keine dauerhaften Überbleibsel römischer Administration gab, welche die neuen Siedler übernehmen hätten können (vgl. Drinkwater 2007, S. 86).

Ein Bevölkerungswechsel zeichnet sich auch in der Art der Feldwirtschaft ab, womit wir bei Anthonys Kriterium des technologischen Wandels angekommen wären. Wo diese zuvor „keltisch“ oder römisch war, herrschte nun eine Drinkwater zufolge „typisch germanische“ Form der Agrarkultur vor, wenn auch mit einigen Ausnahmen. Allgemein wurde der Großteil der Wirtschaft in der Alamannia „germanisch“, was für den Abzug (gallo-)römischer und den Zuzug germanischer Gruppen in die Region spricht (vgl. ebd. 2007, S. 90 ff.). Ausnahmen gab es natürlich auch, so findet Drinkwater am Hochrhein und an der Wetterau, in relativer Nähe zum Reich, Indizien für das Fortbestehen von Teilen der romanischen Bevölkerung (vgl. ebd., S. 134 ff.). Drinkwater spricht hier von einem „pattern of major discontinuity accompanied by minor continuity“ was für den Forstbestand eines Teils der ehemaligen Provinzbevölkerung sprechen würde. Dieser kann allerdings nicht besonders groß gewesen sein, da viele der vorher bewirtschafteten Flächen im vierten Jhd. n. Chr. brach lagen und durch Wald ersetzt wurden, was durch Pollenanalysen festgestellt worden ist (vgl. ebd., S. 90 f.). Aufgrund der Dominanz der neu eingeführten, „germanischen“ Wirtschaftsformen kann darüber hinaus davon ausgegangen werden, dass die Neuankömmlinge aus dem Nordosten schon relativ früh in großem Umfang im Vergleich zur zurückgeblieben Bevölkerung präsent waren und dieser Umstand durch die stetige Zuwanderung aus den elbgermanischen Gebieten noch verstärkt wurde. Definitiv ist über die Anzahl und den Umfang der verbliebenen römischen Bevölkerung jedoch nichts zu sagen. Steuer hält es für möglich, dass diese in „nicht unbeträchtlichen“ Maße zur „Auffüllung“ der Alemannen beigetragen hat (vgl. Steuer 2011, S. 287) und die Koexistenz beider Bevölkerungsgruppen erscheint in diesem Kontext wahrscheinlich (vgl. Drinkwater 2007, S. 356 ;Meier 20217, S. 323). Die meisten der frühen Siedler von jenseits der ehemaligen Grenze dürften überwiegend junge Männer ohne Familien gewesen sein, welche dann einheimische Frauen nehmen konnten und in der Alamannia neue Familien gründeten. Arbeitskräfte zur Bewirtschaftung des Landes zwecks der Selbstversorgung könnten auch aus Überbleibseln der ursprünglichen Bevölkerung bestanden haben. Drinkwater nimmt an, dass sich die Alemannen ohne eine solche Restbevölkerung – zumindest zu Beginn der Besiedelung – nicht hätten selbst versorgen können. Ob diese Zurückgebliebenen freiwillig mit den Neuankömmlingen zusammenarbeiteten ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Dass Teile der Gallo-Romanen Sklavenarbeit verrichteten, hält Drinkwater im Zusammenhang mit der historischen Überlieferung, welche immer wieder von Verschleppten aus dem römischen Reich seitens der Alemannen spricht, für wahrscheinlich (vgl. Drinkwater 2007, S. 136 ff.). Auch Steuer deutet mit Verweis auf B. Steidl darauf hin, dass Funde von Drehscheibenkeramik innerhalb der Alamannia nach 260 n. Chr. auf hinterbliebene oder aber verschleppte und daraufhin versklavte Romanen hinweisen könnten (vgl. Steuer 2021, S. 1070). Weder die vorangestellten Ergebnisse der Pollenanalyse, noch die archäologischen Funde deuten allerdings auf eine nennenswert große Population hin, ob versklavt oder frei (vgl. ebd. 2007, S. 127 f.;Theune 2004, S. 197). Zusätzlich zu einer Steigerung von Germaneneinfällen bzw. größeren Schwierigkeiten, diese an der Grenze aufzuhalten hatten die Bewohner der Provinzen ab der zweiten Hälfte des dritten Jhds. auch mit Räuberbanden innerhalb der Provinzen, welche sich u.a. auch aus römischen Soldaten rekrutierten, zu kämpfen, was weiterhin zur Entvölkerung dieser Gebiete beigetragen haben dürfte (vgl. Nuber 1997, S. 64 f.).

Claudia Theune geht von einem Fortbestand von Teilen der römischen Provinzbevölkerung, vor allem in den grenznahen Zentralorten wie Mainz und Ladenburg (vgl. Theune 2004, S. 199, S. 384 ff.), aber auch am Ober- und Hochrhein, im Moselgebiet, sowie den Alpen (vgl. ebd., S. S. 356), aus, wenn auch in stark verminderter Anzahl im Vergleich zur Zeit der römischen Herrschaft im Südwesten (vgl. ebd., S. 367), ähnlich der Einschätzung Drinkwaters. Diese Annahme stützt sie z.T. auf das Fehlen von Grabbeigaben, welche von ihr als heidnischer Brauch interpretiert werden und damit nicht mit den christlichen Romanen assoziiert sind (vgl. ebd., S. 358) und auf den Gebrauch von Münzen auf ehemaligen Provinzgebiet, welcher im Rest Germaniens fehlt (vgl. ebd., S. 383). Wie bereits angesprochen wurde, argumentiert Nuber dagegen, dass die Münzen allein nicht als Indiz für das Fortbestehen einer römischen Restbevölkerung gelten können und auch von Germanen, welche mit dem römischen System vertraut waren, genutzt wurden (vgl. Nuber 2011, S. 375; Nuber 1997, S. 65). Trotz des Umstandes, dass die kontinuierliche Verwendung von Münzen nicht eindeutig als Indiz für das Verbleiben einer romanischen Restbevölkerung gelten kann, so deuten andere Aspekte, so die Vermischung von romanischen und (elb-)germanischen Bestattungsriten, Theune zufolge dennoch einerseits auf das Fortbestehen eines Teiles der Restbevölkerung und andererseits auf ein Zusammenleben jener mit den (elb-)germanischen Siedlern und auch auf ein gewisses kulturelles Zusammenwachsen hin (vgl. Theune 2004, S. 200).

Einen stärkeren Bruch im Bezug auf die romanische Lebensweise sieht Theune nicht um die Zeit der Aufgabe des Limes herum, sondern um das Jahr 400 n. Chr. Hier endet an vielen, vor allem kleineren Orten, die Siedlungskontinuität. Gleichzeitig zeigen sich neue Einflüsse innerhalb der Alamannia aus dem Donauraum, wobei der Zuzug aus dem elbgermanischen Gebiet ebenfalls nicht abließ. Insgesamt sieht Theune neben den früheren, elbgermanischen Einflüssen nun romanische und fränkische Elemente im Süden, sowie thüringische, langobardische und donauländische im Osten (vgl. ebd. 2004, S. 387 f.).

Das Bild der Bevölkerungszusammensetzung der Alamannia im vierten Jhd. lässt sich vielleicht insgesamt wie folgt zusammenfassen: „a rich mix of Germanic warriors ([überwiegend] Elbgermanic and eastern), Roman provincials of various backgrounds and conditions, the products of interbreeding between these, and dependants brought from Free Germany. As far as these last are concerned, leaders probably had their families with them from the start. If having a Germanic wife was seen as a mark of high status, others would have striven to bring one in under the easier conditions of permanent settlement, along the lines of communication that linked the Vistula, the Oder and the Elbe to the Main and the Rhine.“ (Drinkwater 2007, S. 140 f.).

Bei der Bevölkerung der frühen Alamannia scheint es sich also um einen multiethnischen Mix hauptsächlich verschiedener nordostmitteleuropäischer Gruppen, sowie einer relativ kleinen romanischen Restbevölkerung gehandelt zu haben. Da diese Gruppen aus unterschiedlichen Gebieten und nicht gleichzeitig in das Dekumatland einwanderten, kann davon ausgegangen werden, dass sich diese nicht als Teil eines Ganzen, als Teil eines Volkes oder Stammes der Alemannen, fühlten, sondern dass es sich bei den ersten Siedlern überwiegend um kleinere Personenverbände handelte, welche sich jeweils lediglich mit den eigenen Leuten identifizierten. Wie die Besiedelung der aufgegebenen Provinzen im Detail von statten ging und welche Rolle die Restbevölkerung hierbei gespielt haben könnten soll nun erörtert werden.

3.3 „Die Landnahme“

Die Anfänge des Prozesses der Besiedelung des Dekumatlandes durch hauptsächlich archäologisch determinierte Elbgermanen wurde in der älteren Forschung als „Landnahme“, also als systematische Inbesitznahme des ehemals römischen Gebietes zwischen Rhein und Donau durch den „Stamm“ der Alemannen interpretiert. Wie aufgezeigt wurden kann diese Annahme heutzutage nicht mehr gehalten werden, allen voran nicht, da es zur Zeit der Aufgabe des obergermanisch-rätischen Limes kein einheitlich organisiertes Volk der Alemannen gab, welches etwas systematisch in Besitz hätte nehmen können (vgl. Geuenich 1997, S. 76). Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass sich die Besiedelung dieses Gebiets in mehreren Schüben bzw. Phasen aus unterschiedlichen Regionen Germaniens vollzog und dass auch ein Teil der ehemaligen römischen Provinzbevölkerung an diesem Prozess beteiligt gewesen ist.

David W. Anthony zufolge vollziehen sich „folk migrations“ (Anthony 2007, S. 111), also Migrationen in größerem Umfang, nach folgendem Schema: „The organization of migrating groups depends on the identity and social connections of the scouts (who select the target destination); the social organization of information sharing (which determines who gets access to the scouts’ information); transportation technology (cheaper and more effective transport makes migration easier); the targeting of destinations (whether they are many or few); the identity of the first effective settlers (also called the “charter group”); return migration (most migrations have a counterflow going back home); and changes in the goals and identities of migrants who join the stream later.“ (ebd. S. 112). Manche der hier von Anthony geschilderten Aspekte sind für diese Untersuchung weniger relevant als andere, so z.B. das, was Anthony als „transportation technology“ bezeichnet. Für andere Aspekte lassen sich allerdings Parallelen bei den Alemannen finden. Während wir z.B. über keinen direkten Nachweis von aktiven ‘scouts’ im wörtlichen Sinne verfügen, welche das Dekumatland gezielt als zukünftigen Siedlungsraum ausgekundschaftet hätten, macht es durchaus Sinn davon auszugehen, dass die Neuankömmlinge aus dem nordöstlichen Mitteleuropa nicht ohne ein gewisses Maß an Vorkenntnissen über die ehemaligen Provinzen dorthin aufgebrochen – zu welchem ursprünglichen Zweck auch immer – sind. Rom war zum Zeitpunkt der Aufgabe des Limes schon seit über drei Jahrhunderten fest im Europa nördlich der Alpen integriert, zunächst in Gallien und später dann auch in Rätien und im Noricum, und schließlich auch in Teilen Germaniens. Einfälle in römisches Gebiet aus dem Inneren Germaniens sind dabei schon in den vorchristlichen Jahrhunderten belegt und scheinen nie vollständig aufgehört zu haben. Woher die jeweiligen Germanen kamen, welche in Reichsgebiet eingedrungen sind, lässt sich allerdings nicht oft, wenn überhaupt, mit absoluter Sicherheit sagen. Eine Möglichkeit besteht darin, dass diese Banden auf Raubzügen bereits etablierten Verkehrswegen innerhalb Europas gefolgt sind. Zwei dieser Routen führten grob vom nordöstlichen Mitteleuropa und von Böhmen in den heute südwestdeutschen Raum (vgl. Steuer 2021, S. 72; Steuer 2011, S. 286; Halsall 20145, S. 421). Daher kann davon ausgegangen werden, dass Beutezüge in den Südwesten zumindest zum Teil dort ihren Ursprung genommen hatten und die Bewohner des nordöstlichen Mitteleuropas und Böhmens dadurch über eine gute Vorstellung der Region verfügt haben müssen. Ein früher Beleg dafür könnte die Exkursion der Sueben unter Ariovist in das Gebiet des heutigen Elsass sein, welche vielleicht als frühere Migration in (wahrscheinlich) kleinerem Umfang in ein ähnlich situiertes Gebiet interpretiert werden kann. Dies setzt allerdings voraus, dass die Sueben des Ariovist ursprünglich tatsächlich aus der Region kamen, in welcher Tacitus die Sueben im Allgemeinen später lokalisierte. Aufgrund der eben besprochenen Verkehrsbahnen von Nordosten bzw. Osten nach Südwesten bzw. Westen, sowie frühen elbgermanischen Zeugnissen im südwestdeutschen Raum erscheint dies zumindest möglich. Böhme geht von einem lang anhaltenden, bereits im zweiten Jhd. v. Chr. beginnenden Zustrom von Siedlern aus dem elbgermanischen Raum aus, welchen er mitunter auch im Zusammenhang mit den Sueben des Ariovist sieht und welcher auch während der Inkorporierung dieses Gebiets ins römische Reich nicht abgerissen ist (vgl. Böhme 1996, S. 90 ff.).

Ab der Mitte des 3. Jhds. n. Chr. häufen sich die archäologischen Anzeichen für Raubzüge von Germanen innerhalb die hinter dem Limes liegenden Provinzen, welche aufgrund der innen- und außenpolitischen Schwierigkeiten Roms zu dieser Zeit mit „zunehmend […] kleinerer Besatzung auskommen mussten“ (Nuber 1997, S. 64; Geuenich 1997, S. 76). Die für diese Raubzüge verantwortlichen Banden, sowie die im vorangegangen beschriebenen frühen Siedler wären in Anthonys Szenario mit den ‘scouts’ bzw. in Letzterem Fall vielleicht sogar schon mit der ‘charter group’ zu identifizieren, welche von den Möglichkeiten des Dekumatlands in der alten Heimat berichteten. Als sich die Information vom Rückzug Roms hinter Rhein und Donau verbreitete, witterten manche der dort ansässigen Elbgermanen möglicherweise leichte Beute im vom Imperium aufgegebenen Gebiet und brachen dorthin auf, wahrscheinlich zunächst nicht mit der Intention sich dort dauerhaft festzusetzen (vgl. Drinkwater 2007, S. 80). Als diese Gruppen schließlich an ihrem Ziel ankamen war bis auf eine relativ arme, provinzialrömische Restbevölkerung nicht mehr „viel zu holen“, und Teile dieser Bevölkerung waren möglicherweise sogar Bekannte oder Verwandte, gegen welche man sich nicht wenden wollte. Aus diesem Grund blieben die Banden nur kurzzeitig in der Alamannia und zogen daraufhin weiter in reichere, imperiale Gebiete südlich der Donau und links des Rheins. Nachdem Beute gemacht wurde, zogen sich die erfolgreichen Räuber in ihre Heimat zurück (vgl. ebd.), sollten sie davor nicht von römischen Truppen abgefangen worden sein. Der offensichtliche Erfolg, welche manche dieser Banden bei ihren Beutezügen hatten, wird mehr Verbände dazu verlockt haben, selbst ihr Glück im Dekumatland und darüber hinaus zu suchen. Von diesen könnten einige nach ersten Erfolgen semi-permanente „Operationsbasen” in der Alamannia errichtet haben, von wo aus regelmäßig Beutezüge in römisches Gebiet unternommen werden konnten (vgl. ebd.). Vielleicht entwickelten sich die Höhenburgen aus solchen Orten zu frühen Zentren militärischer und politischer Macht, wobei deren genaue Bedeutung immer noch umstritten ist (vgl. Steuer 2011, S. 283 ff.).

Der Kontakt dieser ersten semi-permanenten Siedler zur nordost-mitteleuropäischen Heimat riss scheinbar nicht ab und aufgrund des – zumindest anfangs – relativ spärlichen archäologischen Fundmaterials dürften viele zwischen dort und dem ehemalige Provinzgebiet gependelt haben. Steuer schlägt hierfür eine Art Zwischenstation in bzw. um Thüringen herum vor (vgl. ebd.), eine Annahme, welche sich mit Antonys „chain migration“ und dem bereits erwähnten „counterflow“, also dem Rückfluss einiger Migranten zurück in die Heimatgebiete, decken würde. Bei einer solchen Art der Migration bewegen sich Verbände von ihrer Heimat zu einem ihnen vertrauten Ort, zu welchem bereits Beziehungen, vielleicht auch familiärer Art, bestehen. Dort schlossen sich dann u.U. lokale Einwohner den Migranten auf ihrem Weg zu ihrer nächsten „Station“ an, welche wiederum durch ein gewisses Maß an Vertrautheit und durch bereits etablierte Beziehungen mit Menschen am Zielort gekennzeichnet ist (vgl. Anthony 2007, S. 112 f.; Meier 20217, S. 114; Halsall 20145, S. 418; Theune 2004, S. 199). Im Falle der Besiedelung des Dekumatlandes wäre der Ursprungsort der frühen Siedler in diesem Model das nordöstliche Mitteleuropa, genauer gesagt grob das Gebiet des heutigen Mecklenburg, sowie direkt benachbarte Regionen wie Ostholstein, von wo aus erste Verbände nach Thüringen aufbrachen. Dass ein Kommunikationsnetzwerk zwischen den Kulturen Nordostmitteleuropas bestand, wurde im vorherigen Kapitel postuliert. Ein Beispiel hierfür ist die Sitte der Bestattung mit mehreren, zumeist drei Pfeilspitzen, welche sich sowohl in Mecklenburg, als auch in Thüringen und später dann auch in Südwestdeutschland wiederfindet (vgl. Steuer 2011, S. 291). Die Bewohner „Thüringens“ hatten mit den „Mecklenburgern“ also etwas gemeinsam; eine gewisse Art des Austauschs scheint existiert zu haben. Von dort aus zog ein nun etwas größerer Verband, bestehend aus „Mecklenburgern“ und „Thüringern“, weiter ins heutige Südwestdeutschland. Die dort bereits ansässigen Elbgermanen könnten über Jahrhunderte hinweg in Kontakt mit der alten Heimat in Nordostmitteleuropa gestanden haben und luden diese vielleicht sogar nach dem Abzug Roms in das nun (mehr oder wenige) freie Gebiet ein. Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, dass das Imperium selbst zumindest Teile der neuen Siedler anwarb, um bei der Grenzverteidigung gegen Banden aus dem Inneren Germaniens zu helfen. Zumindest wurden die Neuankömmlinge von Rom geduldet (vgl. Drinkwater 2007, S. 81).

Durch diese andauernde Kommunikation zwischen Süd und Nord und den relativen Erfolg, welche die nun als Alemannen bezeichneten ersten Siedler im Süden genossen, sowohl bei Raubzügen als auch im Dienste Roms, entstand ein stetiger Strom von Zuwanderern aus dem Nordosten, welche an diesem Erfolgsmodell teilhaben wollten. Besonders im Zusammenhang mit Alemannen als Söldner im römischen Heer ist hierbei auch das Konzept der „career migration“ interessant (vgl. Halsall 20145, S. 418), in diesem Zusammenhang also die Anziehungskraft des römischen Heeres auf Germanen, welche sich durch die Einschreibung in das römische Militär ein besseres, vielleicht sogar luxuriöses Leben erhofften. Das Verlangen nach politisch-militärischer Macht in der eigenen Gruppe könnte hierbei auch eine Rolle gespielt haben. Der Zuwachs an materiellen Gütern sowie an Prestige, welcher mit höheren Positionen im Militär einhergingen, waren einer politischen Karriere im eigenen Verband sicherlich nicht abträglich.

Neuankömmlinge in der Alamannia konnten sich später solchen bereits etablierten Führungspersönlichkeiten anschließen, vielleicht vergleichbar mit den bei Ammianus Marcellinus erwähnten reges (vgl. Drinkwater 2007, S. 145 ff.). Diese lokalen Machthaber standen oft selbst im Dienste Roms, wobei sie auch nicht vor eigenen Exkursionen ins Reich zurückschreckten (vgl. ebd.). Durch sowohl den gemeinsamen Dienst als auch durch die gemeinsamen Raubzüge könnten bereits die Anfänge eines Zusammen- bzw. Zugehörigkeitsgefühls entstanden sein, wenn auch jeweils lokal auf eine relativ kleine Region beschränkt bzw. personal um einen Anführer und möglicherweise dessen Familie und/oder Entourage konzentriert. Von einem überlokalen, regionalen Verständnis der neuen Bewohner der Alamannia als Alemannen kann zu diesem Zeitpunk höchstwahrscheinlich nicht ausgegangen werden. Wahrscheinlicher ist, dass die Siedler aufgrund der Nachbarschaft und der etablierten Kommunikationsnetzwerke in der alten Heimat grob von der Herkunft anderer Siedler wussten und, sowohl im geographischen als auch im ethno-kulturellen Sinne, mit deren Migrationshintergrund vertraut waren und sich vielleicht sogar über eine relative kulturelle Nähe, zumindest im Vergleich zu der romanischen Bevölkerung jenseits (und diesseits, falls es sich bei der Restbevölkerung nicht ausschließlich um romanisierte Germanen gehandelt hat, wovon auszugehen ist) der Grenzen, bewusst waren. In diesem Kontext kam vielleicht zum ersten Mal der Suebenbegriff als Unterscheidungsmerkmal der neuen Siedler zur größtenteils romanisierten Bevölkerung auf, vor allem wenn es sich bei diesem Namen um ein Unterscheidungsmerkmal nach außen hin, gegenüber anderen, gehandelt hat (vgl. Pohl 20042, S. 92). In diesem Fall könnte hier von den Anfängen der Ethnogenese der Alemannen gesprochen werden. Die Nähe und Konfrontation mit dem römischen Reich und den Romanen, sowohl kulturell als auch militärisch, könnte dabei zur Herausbildung einer eigenen Gruppenidentität beigetragen haben (vgl. Anthony 2007, S. 114 f.).

Bevor wir uns allerdings dieser Phase der Entwicklung der Alemannen zuwenden, müssen noch zwei Punkte angesprochen werden. Wenn zu diesem Zeitpunkt noch nicht von einem ethnischen Selbstverständnis der Bevölkerung des heutigen Südwestdeutschlands als Alemannen ausgegangen werden kann, wieso war der Alemannenbegriff dann so häufig in den römischen Schriftquellen anzutreffen? Und wenn es noch keine überregionale Identität gab, dafür aber lokale politische Machtzentren, verstanden sich diese dann schon als ethnische Einheiten? Und wenn ja, gibt es dafür Anzeichen oder Hinweise? Diesen Fragen soll in den folgenden beiden Unterkapiteln nachgegangen werden.

3.4 „Die Teilstämme“

Die Alemannen als geschlossene ethnische oder politische Einheit gab es in ihrer Frühzeit nicht. Vielmehr eine Vielzahl von Kleinkönigen (vgl. Geuenich 1997, S. 77; Drinkwater 2007, S. 123 f.; Pohl 20042, S. 30), welche jeweils über wahrscheinlich recht überschaubare Territorien herrschten, und nur selten zusammenarbeiteten. Ammianus Bericht ist zu entnehmen, dass sich auf dem Gebiet der Alamannia im vierten Jhd. n. Chr. schon eine soziale Hierarchie mit Königen, Adeligen und Kriegern gebildet hatte (oder diese wurde aus den Herkunftsgebieten der Neuankömmlinge mitgebracht) (vgl. Geuenich 1997, S. 77). Diese soziale Festigung könnte auch für eine gewisse ethnische Festigung, zumindest auf lokaler Ebene, sprechen. Es ist verlockend in diesem Zusammenhang zu fragen, ob sich hier vielleicht schon ein erstes ethnisches Selbstbewusstsein gebildet hat, welches zur Manifestation volks- bzw. stammesähnlicher Strukturen in kleinem Rahmen führte. In diesem Kontext sollen nun die sog. „Teilstämme“ der Alemannen, belegt ab dem vierten Jhd. n. Chr., besprochen werden.

Vorab muss das Offensichtliche festgestellt werden: Wenn es im dritten und wahrscheinlich auch im vierten Jhd. n. Chr. noch keinen Stamm der Alemannen, kein Selbstverständnis der Bewohner der Alamannia als Alemannen, gegeben hat, so kann es auch noch keine Teilstämme gegeben haben. Dennoch sind uns solche als partes Alamannorum belegt. Namentlich genannt werden die „Brisgavi, Lentienses, Bucinobantes und Raetovarii“ (Geuenich 1997, S. 74). Problematisch ist bei diesen Namen der lokale Bezug: „Die Brisgavi wohnten im Breis-Gau, […], die Lentienses im Linz-Gau, […], die Raetovarii schließlich bewohnten den nördlich der Donau gelegenen Teil Rätiens.“ (ebd.). Einzig und allein die Bezeichnung der Bucinobantes ist nicht vollständig ortsbezogen, und selbst hier meint der Wortteil „-bant“, „Gau“ (ebd.). Daher schlussfolgert Geuenich, dass diese Namen nicht aus den Ursprungsgebieten der neuen Siedler stammen können und diesen lediglich im Bezug darauf, wo sie siedelten, gegeben wurden (vgl. ebd.). Dass es sich dabei um Endonyme gehandelt hat, erscheint daher unwahrscheinlich. Stammesnamen oder andere ethnische Selbstbezeichnungen verweisen in der Regel nicht auf den Ort, an dem man sich gerade befindet (und das erst seit einigen wenigen Generationen, wenn überhaupt), sondern sind „Ausdruck und Niederschlag von Stammestradition, ethnischem Bewusstsein und Selbstabgrenzung seiner Träger und damit überhaupt unabdingbare Voraussetzung für das politische Handeln einer Gruppe.“ (Castritius 2011, S. 351 f.). Es ist somit wahrscheinlicher, dass es sich bei den ortsbezogenen Namen der „Teilstämme“ um Fremdbezeichnungen der Römer gehandelt hat, welche – wie vielleicht der Alemannenname selbst – hauptsächlich der Kategorisierung und damit dem vereinfachten Umgang mit dem Gegenüber gedient haben. Ein Zusammenhang mit dem Rekrutierungswesen des römischen Heeres scheint auch nicht abwegig (vgl. Pohl 20042, S. 30). Die Römer wussten nicht, woher die neuen Siedler in den ehemaligen Provinzen ursprünglich herkamen, lediglich, dass es sich dabei um Barbaren, welche sie anfangs alternativ als Germanen oder Alemannen bezeichneten, handelte. Daher wurde ihnen, unabhängig davon, wie sie sich selbst bezeichneten, ortsgebundene Namen zur einfacheren Handhabung gegeben (vgl. Steuer 2011, S. 276 ff.; Drinkwater 2007, S. 122 f., 172 f.; Roth 2011, S. 630).

Eine Ausnahme unter den sog. Teilstämmen bilden die Juthungen. Sie sind bereits vor der ersten Nennung der Alemannen (wenn man sich auf das Datum 289 n. Chr bezieht) sicher belegt und werden i.d.R. nördlich der Donau lokalisiert (vgl. Geuenich 20052, S. 73). Wenn auch nicht ursprünglich von Rom mit den Alemannen assoziiert, so werden diese doch später auch als gens Alamannica und Alamannorum pars bezeichnet (vgl. Geuenich 1997, S. 75). Anders als der Großteil der anderen, von den Römern als solche bezeichneten, Teilstämme, scheint es sich beim Namen der Juthungen nicht um ein Exonym zu handeln. Ganz im Gegenteil, einer Interpretation des Namens zufolge, basierend auf der Inschrift des Augsburger Siegesaltars, rühmen sich die Juthungen „Nachkommen, Abkömmlinge“ der Semnonen zu sein. Die Semnonen wurden um das Jahr 100 n. Chr. von Tacitus als „Stammvolk“ der Sueben, als edelster und ältester Teil dieser Gruppe, bezeichnet (vgl. ebd.; Drinkwater 2007, S. 58 f.; Castritius 2011, S. 356). Diese Beziehung von Juthungen zu Semnonen und von jenen wiederum zu Sueben verleitet im Zusammenhang der Identifikation der Juthungen als Teilstamm der Alemannen zu der Annahme, die Alemannen selbst „seien Semnonen und damit, […], im Grunde Sueben.“ (Geuenich 1997, S. 75). Auf diese Verbindung soll im zweiten Hauptteil noch einmal zurückzukommen sein. Die Juthungen jedenfalls verschwinden im fünften Jhd. n. Chr. nach einer Niederlage gegen die Römer aus der historischen Überlieferung. Geuenich geht davon aus, dass sie spätestens dann in den Alemannen aufgegangen sind (vgl. ebd., S. 75 f.).

Es wurde bereits mehrfach ausgeführt, dass es unwahrscheinlich ist, dass einen Stamm der Alemannen als solches zu dieser Zeit gegeben hat und es damit auch keine Teilstämme geben kann. Ob es sich bei den Juthungen tatsächlich um die Nachkommen von Semnonen gehandelt hat, lässt sich dem aktuellen Forschungsstand zufolge nicht zweifelsfrei belegen, auch wenn es eine Beziehung beider Gruppen zueinander, welcher Art auch immer, wahrscheinlich gegeben hat. Castritius zufolge ist es nicht abwegig anzunehmen, dass sich die Juthungen zumindest zum Teil aus den Semnonen rekrutierten (vgl. Castritius 2011, S. 356). Ob es sich bei den Juthungen selbst um einen Stamm oder eine andere Art von ethnischer Gruppe gehandelt hat, wenn auch nicht unbedingt um eine ursprünglich alemannische (vgl. Geuenich 1997, S. 75 f.), ist ebenfalls fraglich. Drinkwater geht davon aus, dass es sich dabei lediglich um eine (von vielen) „Jungmannschaft“(-en) gehandelt hat, welche ursprünglich aus dem elbgermanischen Raum stammte und ab dem dritten Jhd. n. Chr. Raubzüge ins römisches Reich unternahm, ähnlich den anderen elbgermanischen Gruppen jener Zeit in der Alamannia. Andere Verbände könnten in diesem Kontext aufgrund des Erfolgs juthungischer Mannschaften den Namen für sich beansprucht haben, was vielleicht als Anfang eines Ethnogeneseprozesses interpretiert werden könnte, wenn damit ein Gefühl der gemeinsamen Identität einherging. Nichtsdestotrotz gibt es wenige, wenn überhaupt, Anzeichen dafür, dass es sich bei den Juthungen bereits um eine feste ethnische Einheit gehandelt hat (vgl. Drinkwater 2007, S. 57 ff.). Dennoch treten die Juthungen seit ihrer Ersterwähnung im dritten Jhd. noch bis ins fünfte Jhd. in der historischen Überlieferung auf bevor, wie Castritius annimmt, diese aufgrund der Erinnerung an eine gemeinsame elbgermanische Vergangenheit „anscheinend problemlos“ in den Alemannen aufgehen (vgl. Castritius 2011, S. 362). Wenn davon ausgegangen wird, dass es sich bei den Juthungen hauptsächlich um Jungmannschaften gehandelt hat, welche überwiegend aus dem elbgermanischen Raum stammten, macht es durchaus Sinn davon auszugehen, dass zumindest Teile dieser Gruppen in dem zusammengefasst wurden, was die Römer Alemannen nannten. Dass sie in diesen aufgingen würde allerdings voraussetzen, dass es die Alemannen als einheitliche ethnische Größe gab, was im Kontext des bisher Erörterten unwahrscheinlich erscheint. Darum ist es sinnvoller anzunehmen, dass manche der Gruppen gemäß der Natur von Migrationen zurück in den elbgermanischen Raum kehrten und andere in „spätalemannischen“ Gruppen, mit welchen sesshafte alemannisch-suebische Verbände im fünften Jhd. gemeint sein und auf deren mögliche Existenz im zweiten Hauptteil näher eingegangen werden wird, aufgegangen sind. Ob dieser Prozess durch die – in Castritius Sinne – Erinnerung an eine gemeinsame elbgermanische Herkunft einfacher gemacht wurde, ist nicht belegbar. Dass ethno-kulturelle Ähnlichkeiten den Integrationsprozess einfacher machten, ist allerdings durchaus vorstellbar.

Ammianus Marcellinus spricht im Kontext der Alemannen interessanterweise nicht von jenen als solchen, sondern von „den ‘Königreichen’ (regna), den ‘Völkern’ (populi) oder den ‘Gauen’ (pagi)“ (Geuenich 1997, S. 77), also keinesfalls von einem einheitlichen Volk oder Stamm. Dies spiegelt die im Vorangegangenen herausgearbeitete Situation für das dritte und vierte Jhd. n. Chr. gut wieder. Statt lediglich einer Ethnie gab es in der frühen Alamannia viele, wenn möglicherweise auch mehr oder weniger nah verwandte Gruppen, welche noch zu keinem überregionalen Zusammengehörigkeitsgefühl gefunden hatten. Das wiederum spricht dafür, dass der Begriff der Alemannen lediglich als Sammelbezeichnung der Römer für die Barbaren jenseits des Oberrheins verwendet wurde, ähnlich der Verwendung des Begriffes der Franken am Niederrhein. Ammianus gibt damit indirekt selbst zu, dass es die Alemannen als solches, als Volk oder Stamm an sich, zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegeben hat. Wieso Rom trotzdem immer wieder vom Alemannenbegriff Gebraucht machte, soll nun zum Abschluss des ersten Hauptteils dieser Arbeit erörtert werden.

3.5 Die Alemannen als römisches Konstrukt – Ein Zwischenfazit

Wie bereits mehrfach erwähnt wurde erscheint es angesichts des anfangs relativ spärlichen archäologischen Fundmaterials und schriftlicher Hinweise auf die politische und ethnische Heterogenität unwahrscheinlich, dass es die Alemannen als geschlossene politische oder ethnische Einheit in ihrer Frühzeit überhaupt gegeben hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich kleinere, elbgermanische Gruppen, die ursprünglich auf der Suche nach Beute vom nordöstlichen Mitteleuropa ins Dekumatland gezogen sind, mit der Zeit dort festgesetzt haben und, möglicherweise mit freiwilliger und/oder erzwungener Hilfe einer wahrscheinlich vergleichsweise kleinen romanischen Restbevölkerung, dort Siedlungen gründeten. Diese Gruppen kamen aus einem relativ großen Gebiet, von Ostholstein bis nach Böhmen, und von Mecklenburg bis Thüringen. Obwohl es Hinweise darauf gibt, dass es gewisse kulturelle Parallelen dieser Gruppen zueinander gegeben hat, so wird es auch Unterschiede gegeben haben. Dies legt den Schluss nahe, dass verschiedene Gebiete der entstehenden Alamannia von unterschiedlichen Gruppen unterschiedlicher Herkunft besiedelt wurden. Mit der Zeit, vielleicht auch aufgrund wahrgenommener ethno-kultureller Ähnlichkeiten, könnten manche Gruppen enger zusammengewachsen sein. Hier könnte sich der Anfang einer Ethnogenese im kleinen Rahmen abzeichnen. Ob man dabei schon von Stämmen sprechen kann, ist fraglich, und auch die überlieferten „Teilstämme“ der Alemannen sind wahrscheinlich größtenteils nichts weiter als ein römisches Konstrukt, abgesehen von den im Vorangegangen erwähnten Ausnahmen. Einzig und allein bei den Bucinobanten handelte es sich möglicherweise um eine authentische bzw. autochthone politische Einheit (vgl. Wolfram 2011, S. 613), welche allerdings räumlich und zeitlich stark beschränkt war. Ähnliche Gruppen könnten sich auch in anderen Teilen der Alamannia gebildet haben, ohne dass Rom davon wusste, entweder weil diese nicht direkt mit Rom interagierten, u.U. aufgrund der größeren Distanz zur Grenze oder anderer Ambitionen der jeweiligen Anführer, oder aber weil diese nicht lange genug existierten um überhaupt erst Roms Aufmerksamkeit erregt zu haben (vgl. Drinkwater 2007, S. 125 f.).

Wenn es sich also, bis auf eine oder zwei mögliche Ausnahmen, bei den Teilstämmen der Alemannen wahrscheinlich um römische Konstrukte gehandelt hatte und es die Alemannen als solche ebenfalls nicht gegeben hat, wieso tauchen sie dann dennoch immer wieder in den Quellen auf? Die naheliegende Antwort ist, dass die Alemannen selbst ein römisches Konstrukt waren, zumindest zum größten Teil. Wie bereits mehrfach erwähnt wurde, versuchte Rom die Barbaren jenseits der Grenze zu kategorisieren um den Umgang mit jenen Völkerschaften zu vereinfachen. Dies trifft besonders auf die germanische Welt der Völkerwanderungszeit zu, in welcher niederrheinische Germanen als Franken und oberrheinische Germanen als Alemannen bezeichnet wurden (vgl. Drinkwater 2007, S. 125 f.; Gillet 2006, S. 252; Hummer 1998, S. 11; Goltz 2004, S. 110).

Diese Kategorisierung diente allerdings nicht nur praktischen, sondern auch politischen Zwecken. Wenn eine politische und ethnische Größe erfunden wurde, machte es das einfacher, diese als Feinde des Imperiums zu deklarieren und dann entsprechend vernichtend zu schlagen. Dabei war es sehr viel glorreicher und damit propagandistisch effektiver, ein ganzes Volk in die Flucht zu schlagen als lediglich eine oder mehrere lokale Gruppen neuer Siedler, welche sich wahrscheinlich relativ selten zu wirklich schlagkräftigen Verbänden zusammenfinden konnten. Eine von Drinkwaters Hauptthesen ist es, dass die Alemannen von Rom zu genau diesem Zweck erfunden und be- bzw. ausgenutzt wurden (vgl. Drinkwater 2007, S. 11 ff.). Gleichzeitig machte es diese Erfindung möglich Verträge mit – zumindest von Seiten Roms – genau definierten politischen Einheiten anstelle von einer Vielzahl komplexer, sich in wahrscheinlich ständigem Wandel befindlichen und nur lose, wenn überhaupt zusammengehörenden, Gruppen zu schließen. Dies könnte über einen längeren Zeitraum zur Festigung mancher solcher Gruppen, darunter vielleicht auch den Bucinobanten, geführt und eine „echte“, Ethnogenese angestoßen haben (vgl. Steuer 2011, S. 278; Nuber 2011, S. 377; Hummer 1998, S. 11; Meier 20217, S. 324 f.; Roth 2011, S. 630). Ob dies allerdings für die Alemannen als Ganzes gilt, wie Drinkwater postuliert, ist anzuzweifeln (vgl. Drinkwater 2007, S. 153 f.). Diejenigen Alemannen, welche Handels- oder diplomatische Beziehungen mit Rom pflegten oder zumindest zeitweise im römischen Heer dienten, müssen sich darüber bewusst gewesen sein, dass sie und ihre Nachbarn von den Römern als Alemannen bezeichnet worden sind (vgl. ebd.). Das bedeutet allerdings nicht automatisch, dass sich die Menschen innerhalb der Alamannia als Alemannen, als Ganzes, Zusammengehöriges, als Einheit, verstanden. Über zeitlich stark begrenzte Koalitionen hinaus, wie der von Ammianus Marcellinus geschilderten (vgl. Pohl 20042, S. 30), gibt es kaum Anzeichen für Kooperation zwischen verschiedenen alemannischen Gruppen in größerem Umfang und damit auch keine Hinweise auf ein „pan-alemannisches“ Wir-Bewusstsein. Daher muss davon ausgegangen werden, dass sich bei den Alemannen um ein römisches Konstrukt gehandelt hat, ähnlich wie das bei den Germanen Jahrhunderte zuvor mit ähnlichen Motiven der Fall gewesen ist: „’the Germanic world was perhaps the greatest and most enduring creation of Roman political and military genius’“ (Halsall 20145, S. 17 nach Geary 1988).

Im zweiten Hauptteil dieser Arbeit soll nun untersucht werden, wie sich die ethnisch-politische Strukturen der Alamannia des fünften Jhds. veränderten und teilweise auch verfestigten. Mächtigere Könige, von welchen die Namen bis auf Gibuld und Gebavult (bei welchen es sich vielleicht sogar um die selbe Person handelte (vgl. Pohl 20042, S. 107)) nicht bekannt sind, traten nun an die Stelle der Kleinkönige, auch wenn wahrscheinlich zu keiner Zeit von einem alemannischen Großkönigtum ausgegangen werden kann (vgl. ebd., S. 31 f.; Pohl 2011, S. 641 f.). Gleichzeitig treten uns die Alemannen zum ersten Mal unter der älteren Bezeichnung „Sueben“ entgegen. Ob hier von einer möglichen zweiten Ethnogenese der Alemannen gesprochen werden kann wird im Folgenden zu untersuchen sein.

4 Zweite Ethnogenese

Nachdem im ersten Teil dieser Arbeit festgestellt worden ist, dass es die Alemannen in ihrer Frühzeit weder als politische, noch als ethnische Einheit gegeben hat und es sich bei Selbigen, sowie bei den sog. Teilstämmen, größtenteils um ein römisches Konstrukt gehandelt hat, stellt sich nun die Frage nach der weiteren, ethnischen Entwicklung der Bevölkerung des Dekumatlandes und ob die Alemannen doch noch zu einer Art Einheit gefunden haben. In der Forschung wurde oft angenommen, die Ethnogenese der Alemannen habe sich in zwei Phasen vollzogen, man spricht auch von einer zweiten Ethnogenese der Alemannen. Wie im Vorangegangen dargestellt wurde handelt es sich bei der Ethnogenese um einen nicht endenden Prozess, daher macht es streng genommen wenig Sinn von einer abgeschlossenen ersten Ethnogenese, auf welche eine zweite folgte, zu sprechen. Dennoch wurde dies in der Forschung getan (vgl. Steuer 2011, S. 283; Keller 2011, S. 109) und auch diese Arbeit ist unterteilt in eine erste und eine zweite Ethnogenese. Daher stellt sich natürlich die Frage nach dem Warum.

Zum Einen ist, wie bereits erwähnt, auf die Forschung zu verweisen. Das Konzept der ersten und zweiten Ethnogenese ist im Kontext der Alemannen schlicht und einfach gängig (vgl. ebd.). Zum anderen macht die Zwei- oder vielleicht Dreiteilung dieses Vorgangs bei den Alemannen besonders Sinn, betrachtet man deren Entwicklung genauer. Das erste Mal hören wir von den Alemannen im 3. Jhd. n. Chr. Was genau unter diesem Begriff verstanden wurde und wie der Begriff unter den Römern in Gebrauch gekommen ist, ist nicht vollständig geklärt, es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass es sowohl im 3. Jhd. als auch im 4. Jhd. keine ethnische oder politische Größe dies- oder jenseits des obergermanisch-rätischen Limes gab, welche sich selbst als dem Stamm der Alemannen zugehörig fühlte. Auf die alternativen Bedeutungen des Namens soll hier nicht noch einmal eingegangen werden, da dieses Thema bereits zu Beginn der Arbeit erörtert worden ist.

Bei Steuer wurde postuliert, dass es bereits eine erste Ethnogenese im dritten Jhd. gegeben haben soll (vgl. Steuer 2011, S. 283), was der These dieser Arbeit, dass es noch keine ethnische Größe mit der Bezeichnung Alemannen, welche sich selbst als solche wahrnahm, gegeben hat, widerspricht. Dies bedeutet nicht, dass der Prozess der Ethnogenese nicht schon im dritten Jhd. angefangen haben könnte, mehr Anzeichen hierfür sind allerdings frühestens im vierten Jhd. zu sehen, beachtet man, dass sich jetzt erst archäologische Funde in größerem Umfang, welche auch auf erste permanente Siedlungen hinweisen (vgl. ebd., S. 290), sowie mehr und detailliertere Belege durch die Schriftquellen finden lassen, man denke hierbei natürlich hauptsächlich an Ammianus. Dass die hauptsächlich pendelnden Kriegerscharen des dritten Jhds. schon ein eigenes Zusammengehörigkeitsbewusstsein entwickelt haben sollen, ist unwahrscheinlich und da dieses ausschlaggebend für die Klassifizierung einer Gruppe als Ethnie ist, sollten die Anfänge der alemannischen Ethnogenese wahrscheinlich nicht im dritten Jhd. zu suchen sein. Falls sich Gruppen jemals als Alemannen bezeichnet haben, dann wahrscheinlich nicht im ethnischen Sinne, sondern, ähnlich den Juthungen, als Bezeichnung für eine Art von (elb-)germanischer Jungmannschaft, welche sich selbst als „Vollmenschen“ verstanden, vielleicht bezogen auf solche Eigenschaften wie Mut und Kühnheit, aber auch auf die Abstammung von altehrwürdigen Gruppen wie den Semnonen oder gar als Mitglieder einer Kultgemeinschaft, wie von Castritius vorgeschlagen. Wenn diese Mannschaften aus den Grenzregionen zurück in das nordöstliche Mitteleuropa kehrten, waren Sie keine Alemannen mehr, sondern wieder Teil des Stammes, von welchem sie ursprünglich kamen (vgl. Drinkwater 2007, S. 46 ff.).

Nach einer ersten Phase, welche von solchen pendelnden Kriegerscharen dominiert wurde, begannen sich vereinzelt auch Menschen elbgermanischer Herkunft im Südwesten niederzulassen. Wie im Vorangegangen dargestellt worden ist, riss der Strom der neuen Zuwanderer in den Südwesten über den behandelten Zeitraum vom dritten bis zum fünften Jhd. n. Chr. nie vollständig ab (vgl. Theune 2004, S. 388). Was sich allerdings veränderte, ist, woher die meisten dieser neuen Siedler kamen. In diesem Kontext soll noch einmal auf den Bruch hingewiesen werden, welchen Claudia Theune nicht um das Jahr 260 n. Chr., also um den Limesfall herum, sondern um das Jahr 400 sieht. Ältere Siedlungen und Hinweise auf das Weiterleben einer kleinen, jedoch nicht völlig unbedeutenden romanischen Restbevölkerung verschwinden zu großen Teilen (vgl. ebd., S. 200). Gleichzeitig finden sich jetzt mehr Siedler aus dem thüringer, dem böhmischen und neuerdings auch aus dem donauländischen Raum im Dekumatland wieder (vgl. Drinkwater 2007, S. 338 ff.), weitere Zuwanderung aus Mecklenburg gab es jedoch auch noch (vgl. Steuer 2011, S. 291). Im fünften Jhd. begegnen uns die Alemannen auch zum ersten mal unter einem neuen bzw. alten Namen: Sie werden fortan mit den Sueben gleichgesetzt (vgl. Hummer 2003, S. 1 ff.). Aufgrund der sich verändernden Demographie, einhergehend mit einem neuen bzw. alten Namen für die Bewohner der Alamannia ist es hier durchaus sinnvoll, von einer zweiten Ethnogenese, welche das ethno-kulturelle Bild des südwestdeutschen Raumes dauerhaft veränderte, zu sprechen (vgl. Keller 2011, S. 109).

Inwiefern die Herkunft der neuen, sowie der alten Siedler mit der Gleichsetzung der Alemannen mit den Sueben zusammenhängen, soll im Folgenden als erstes erörtert werden. Daraufhin soll in einem zweiten Teil auf die Frage eingegangen werden, wie die Konfrontation mit den Franken den Prozess der Ethnogenese der Alemannen bzw. Sueben beeinflusste und ob die Alemannen nach der Niederlage gegen die Franken schließlich zu einer politischen und ethnischen Einheit gefunden haben.

4.1 Alemannen oder Sueben?

Dass der Stamm der Alemannen ab dem späten vierten bzw. frühen fünften Jhd. n. Chr. alternativ auch unter dem Begriff Sueben bekannt war bzw. mit diesen gleichgesetzt wurde ist historisch belegt, auch wenn es sich bei diesen frühen Gleichsetzungen vielleicht lediglich um poetische Freiheiten gehandelt hat (vgl. Drinkwater 2007, S. 46). Weniger poetisch und historisch konkret fassbarer wird es erst ab dem späten fünften Jhd. (vgl. Hummer 1998, S. 19), jedoch weist auch die Gleichsetzung in der Lyrik schon auf eine gewisse Verbindung zwischen Alemannen und Sueben hin. Wie es zu dieser Gleichsetzung gekommen ist und warum sich der Suebenname letztendlich vor dem Begriff der Alemannen als Endonym durchsetzte (vgl. Drinkwater 2007, S. 48) ist allerdings umstritten. Die verschiedenen Erklärungsansätze der Forschung sollen nun vorgestellt und verglichen werden.

Prinzipiell sind zwei Theorien zu unterscheiden: Einerseits die These, dass es sich bei den Alemannen mehr oder weniger schon immer – zumindest zum größten Teil – um Sueben gehandelt hat und dass diese lediglich von Rom fälschlich als Alemannen bezeichnet wurden (vgl. Steuer 2011, S. 317; Zotz 2011, S. 298; Meier 20217, S. 324) und andererseits die Annahme, dass eine neue Besiedelungswelle suebischer Siedler ab dem fünften Jhd., vor allem aus dem Donauraum und bei welchen es sich möglicherweise um Nachfahren von Quaden und Markomannen gehandelt hat (vgl. Hummer 1998, S. 16), zu dieser Gleichsetzung von Alemannen und Sueben geführt hatte (vgl. Pohl 2011, S. 647, Runde 2011, S. 678).

Für die erste von beiden Thesen spricht, dass viele, wenn nicht die Mehrheit der neuen Siedler im Dekumatland aus Gebieten einwanderten, welche frühen römischen Schriftquellen zufolge von suebischen Gruppen bevölkert waren (vgl. Pohl 20042, S. 90 f.). Diese Annahme ist allerdings nicht ohne ihre Probleme. Zum einen stammen die Berichte über suebische Völkerschaften im nordöstlichen Mitteleuropa zumeist aus den beiden Jahrhunderten um Christi Geburt (vgl. ebd.), sie befinden sich also zeitlich mindestens einhundert Jahre von der Ersterwähnung der Alemannen entfernt. In dieser Zeit könnten sich die ethnischen Verhältnisse in dieser Region, ohne dass Rom davon wusste, verändert haben, vorausgesetzt dass die ursprünglichen Informationen überhaupt erst akkurat gewesen sind. Dazu kommt, dass zwischen der letzten Nennung der Sueben um das Jahr 180 n. Chr. in der Nähe von Böhmen im Kontext der Markomannenkriege des Marcus Aurelius und ihrem erneuten Auftreten um das Jahr 400 herum wiederum über zwei Jahrhunderte vergehen. Hummer erwähnt, dass Sueben kurz im dritten und vierten Jhd. genannt werden, dort allerdings im Kontext mit ethnischen Gruppen weiter südöstlich von den Siedlungsgebieten im nordöstlichen Mitteleuropa an der mittleren Donau (vgl. Hummer 1998, S. 12 f.), ein Umstand, welcher für die Übernahme des Suebennamens nach der Zuwanderung von Donausueben aus diesem Gebiet sprechen würde. Hier könnte sich die Bezeichnung länger gehalten haben als an der Elbe, sollten sich die Menschen dort überhaupt erst als Sueben verstanden haben.

Über die zeitlichen Lücken hinweg muss auch das räumliche Problem angesprochen werden: Die Gebiete, in welchen Sueben römischen Quellen zufolge siedelten, befanden sich für die meiste Zeit römischer Präsenz in Mitteleuropa hunderte Kilometer entfernt von der römischen Grenze. Wie präzise können die Angaben römischer Schriftsteller, welche in vielen Fällen nie einen Fuß nach Germanien gesetzt haben, tatsächlich sein?

Darüber hinaus muss auch die Frage nach der Natur der Sueben gestellt werden. Handelte es sich hierbei überhaupt um eine ethnische, kulturelle oder linguistisch distinktive Gruppe innerhalb Germaniens? Auf die Heterogenität des eisenzeitlichen Mittel- und Nordeuropas wurde bereits hingewiesen. Ob es über kleinere, regionale Gruppen hinweg größere ethnische Verbände gegeben hat, welche über längere Zeiträume hin existierten, und wie sich diese verhielten, ist schwer zu beurteilen, dies gilt insbesondere für die Sueben. Wenn es sich bei jenen tatsächlich um einen wie auch immer gearteten Verband gehandelt hat, möglicherweise um eine Konföderation mehrerer, kulturell nahe stehender Gruppen (vgl. Pohl 20042, S. 91 f.), würde es sich um ein Phänomen handeln, welches zum Zeitpunkt der Ersterwähnung der Alemannen bereits weit über zwei Jahrhunderte lang bestanden hatte. Hier liegt allerdings das Problem. Wir hören von Sueben zunächst im Elsass im Kontext der Inkursion des Ariovist, aber auch im heutigen Südwestdeutschland im Zusammenhang mit den Neckarsueben, im nordöstlichen Mitteleuropa, in Mitteldeutschland und in Böhmen laut Tacitus und Strabo, an der mittleren Donau in späteren Quellen und schließlich in Iberien und wieder in Südwestdeutschland (vgl. Hummer 1998, S. 12 ff.). Dass es sich dabei jeweils um die exakt selbe Gruppe handelt, ist schon deswegen unmöglich, da Sueben zur selben Zeit an unterschiedlichen, mitunter weit voneinander entfernten Orten zu finden sind. Kann es sich dabei trotzdem um verwandte oder verbündete Gruppen mit einer überregionalen Identität gehandelt haben? Vielleicht handelte es sich beim Suebennamen um eine Bezeichnung, welche lediglich bei Kontakt zu „Nicht-Sueben“ verwendet wurde. Unter Sueben selbst wurden dann die eigenen Stammesnamen zur ethnischen Identifikation verwendet (vgl. Pohl 20042, S. 92). In jedem Fall scheint der Begriff, sollte es sich dabei tatsächlich um eine ethnische Bezeichnung gehandelt haben, relativ liberal anwendbar gewesen zu sein, was eine genaue Definition umso schwerer macht.

Eine andere mögliche Erklärung ähnelt den Modellen, welche teilweise auf den Alemannen- und Juthungenbegriff angewandt wurde. Der Suebenbegriff hat dieser These zufolge mit jenen Bezeichnungen gemeinsam, dass es sich dabei nicht um den Namen einer Ethnie, sondern vielmehr um Gefolgschaften handelte (vgl. ebd.). Es ist auch möglich, dass es sich bei den Sueben lediglich um eine Sammelbezeichnung für Germanen jenseits der direkten römischen Kontaktzone handelte (vgl. ebd.; Brather 2000, S. 166), ähnlich wie die völkerwanderungszeitlichen Stammesnamen Sammelbegriffe für die Germanen an den Grenzen des römischen Reiches waren.

Unabhängig des Ursprungs und der Bedeutung bzw. Deutung des Suebennamens scheint sich dieser an der mittleren Donau als ethnische Bezeichnung bis in die Völkerwanderungszeit gehalten zu haben. Der zweiten der anfangs vorgestellten Thesen zufolge wandelten sich die Alemannen zu Sueben aufgrund einer Zuwanderungswelle von diesen Donausueben (vgl. Drinkwater 2007, S. 343-44). Wie bereits erörtert wurde, ist die Bezeichnung Sueben für diese Germanen für das dritte und vierte Jhd. n. Chr. belegt, während nicht bekannt ist, ob sich die Menschen im nordöstlichen Mitteleuropa (noch?) so bezeichneten oder ob überhaupt ein Zusammenhang bestand (vgl. Hummer 1998, S. 13 f.). Bei Jordanes werden Alemannen und Sueben erstmals um das oder möglicherweise kurz nach dem Jahr 470 in Zusammenhang gebracht. Beide Gruppen seien nun miteinander verbündet, während die Sueben nördlich der Alemannen zwischen Bayern, Franken, Thüringern und Burgunden siedelten, also in dem Gebiet, in welchem zuvor die Alamannia lokalisiert worden war. Die Alemannen selbst seien nun in den Alpen zu finden (vgl. ebd., S. 21 ff.). Dass Sueben von der mittleren Donau im fünften Jhd. ins heutige Südwestdeutschland einwanderten, kann archäologisch nachvollzogen werden. Dass diese die dort bereits ansässigen Alemannen verdrängten, ist unwahrscheinlich, wenn man Drinkwaters Feststellung beachtet, dass die Neuankömmlinge scheinbar systematisch in verschiedenen Gebieten der Alamannia angesiedelt wurden, was im Übrigen für eine Festigung der politischen Strukturen und der Kooperation lokaler Machthaber innerhalb der Region spricht. Gleichzeitig ist allerdings ein Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen, welcher bei Theune bestätigt wird (vgl. Drinkwater 2007, S. 344; Theune 2004, S. 201). Vielleicht kann hieraus geschlussfolgert werden, dass die mittlerweile seit mehreren Generationen ansässige, „alemannische“ Bevölkerung, welche hauptsächlich aus dem nordöstlichen Mitteleuropa ins Dekumatland abgewandert ist, nun in nicht gar so großer Überzahl im Vergleich zu den Donausueben vorhanden war und diese sogar wichtige politische Rollen übernahmen (vgl. Hummer 2003, S. 17 ff.), was Jordanes Lokalisierung der Sueben und Alemannen erklären könnte. Dagegen spricht allerdings, dass der Zustrom von Siedlern aus dem nordöstlichen und östlichen Mitteleuropa auch im fünften Jhd. n. Chr. trotz des temporären Bevölkerungsrückgang nicht abgerissen ist. Ob der Wechsel zum Suebennamen daher vollständig durch die Einwanderung von Donausueben erklärt werden kann, ist fraglich. Dazu kommt, dass sich der Begriff der Sueben anstelle der Bezeichnung Alemannen erst relativ spät durchsetzte und noch lange Zeit der Alemannenname bevorzugt wurde (vgl. Hummer 2003, S. 25; Zettler 2003, S. 15 ff.).

Aus den beiden vorgestellten Thesen eine zufriedenstellende Konklusion zu ziehen ist wahrscheinlich nicht möglich. Beide Ansätze kommen mit ihren eigenen Stärken und Schwächen und können das Phänomen der Gleichsetzung der Alemannen und Sueben spätestens ab dem späten 5. Jhd. n. Chr. nicht vollständig erklären. Wenn sich eine gewisse suebische Identität bzw. ein suebisches Bewusstsein im nordöstlichen Mitteleuropa über die Jahrhunderte hinweg gehalten hat (sollte dieses existiert haben), dann ist es durchaus möglich, dass dieses Gefühl von den Siedlern mitgebracht worden ist und dort „subkutan“ weiterlebte (vgl. Meier 20217, S. 324). Hierfür könnte auch die relative kulturelle Homogenität der Bestattungen im Südwesten sprechen (vgl. Drinkwater 2007, S. 344). Hier stellt sich dann allerdings die Frage, wieso die Alemannen uns nicht schon früher als Sueben entgegentreten. Dies allein durch römische Ignoranz zu erklären greift wahrscheinlich zu kurz. Dazu kommt, dass, wo Drinkwater Homogenität sieht, Theune auf die Heterogenität der verschiedenen Gruppen innerhalb der Alamannia verweist (vgl. Theune 2004, S. 367). Es scheint also sowohl grobe Übereinstimmungen, als auch distinktive Merkmale der verschiedenen Siedlergruppen gegeben zu haben, welche sie voneinander unterscheidbar machen. Aufgrund des geographisch relativ großen Raums, aus welchem diese Menschen stammten, verwundern die Unterschiede auch nicht weiter. Die Ähnlichkeiten könnten allerdings wiederum für eine Art von Kommunikationsnetzwerk zwischen den Bevölkerungsgruppen Nordostmitteleuropas vor der Migration nach Südwesten sprechen, welche sich auch in kulturell wichtigen Riten wie Bestattungen niederschlugen. Vielleicht fühlten sich die frühen Siedler der Alamannia nicht als Sueben weil der Stamm bzw. der Stammesverband der Sueben im Nordosten vorerst weiterlebte und es sich bei den ersten Siedlern im dritten und vierten Jhd. hauptsächlich um Jungmannschaften suebischer Gruppen handelte, unter jenen solche, welche sich Juthungen nannten und vielleicht auch solche, welche sich selbst als Alemannen bezeichneten, und nicht um den Verband der Sueben in seiner Gesamtheit. Dieser war noch fest in der alten Heimat verankert. Erst als der Großteil der suebischen Bevölkerung im Laufe des 6. Jhds. aus den nordöstlichen Gebieten abgewandert war und sich die meisten von diesem im Südwesten unter verwandten oder zumindest bekannten Gruppen ansiedelten wurde der Suebenname wieder aufgegriffen (vgl. Steuer 2011, S. 317). Die Zuwanderung der Donausueben könnte hierfür der Funke gewesen sein. Der Umstand, dass der Begriff Alemannen im späten fünften Jhd. noch bevorzugt wurde und erst im Laufe des 6. Jhds. an Prominenz verlor, als sich das elbgermanische Zentrum langsam komplett nach Süden verschoben hatte, würde für diese These sprechen (vgl. Steuer 2011, S. 315 ff.). Dies setzt allerdings wiederum voraus, dass es zumindest eine gewisse Überlappung, wenn auch keine direkte Übereinstimmung, der archäologischen Kulturgruppe der Elbgermanen und den historisch belegten Sueben gibt, was, wie bereits besprochen, problematisch ist.

Wenn sich die Alemannen spätestens zu diesem Zeitpunkt selbst als Sueben bezeichneten, könnte von Ethnogenese gesprochen werden. Auch wenn es Anzeichen von größerer Kooperation alemannischer Anführer gab, welche ihrerseits mächtiger erscheinen als die meisten ihrer Vorgänger im vierten Jhd. (vgl. Keller 2011, S. 590 ff.; Pohl 2011, S. 641 f.), so ändert dies doch nichts daran, dass die alemannische Welt auch im fünften Jhd. fragmentiert bleibt. Wenn es sich bei dem Großteil der Alemannen allerdings tatsächlich um Sueben gehandelt, und die Sueben wiederum eine Art von Konföderation oder zumindest eine übergreifende ethnische Bezeichnung für mehrere, auf welche Art und Weise auch immer verbundene, ethnische Gruppen ist, so würde es auch nicht verwundern, dass die Alemannen selbst nur lose organisiert waren (vgl. Hummer 1998, S. 5). Ein gewisses Maß an Organisation untereinander scheint es bereits gegeben zu haben, was vielleicht auf ein gewisses Bewusstsein der Ähnlichkeit zueinander, zumindest verglichen zu römischen und vielleicht auch fränkischen Nachbarn, hindeuten könnte. Wenn dem so ist, dann wäre dies ein starkes Indiz für die Alemannen bzw. Sueben als Ethnie. Ob und inwiefern speziell die Konfrontation mit den Franken zu diesem Bewusstsein beigetragen haben könnte, soll nun abschließend untersucht werden.

4.2 Expansion, Kohäsion und Konfrontation – Die ethno-politischen Entwicklungen am Ende der Unabhängigkeit der Alamannia

Drinkwater und Hummer haben – nebst anderen, so z.B. Theune aus archäologischer Sicht – darauf hingewiesen, dass sich die alemannische Welt im fünften Jhd. nicht nur ethnisch, sondern auch politisch wandelte. Während man es im dritten Jhd. hauptsächlich mit mobilen Jungmannschaften auf Raubzug und im vierten Jhd. i.d.R. mit in ihrer Macht lokal stark beschränkten Kleinkönigen zu tun hatte, gibt es im fortgeschrittenen 5 Jhd. zum ersten Mal seit Chnodomar Hinweise auf überregional einflussreiche – darunter der/die bereits erwähnte/n Gebavult/Gibuld – und teilweise auch zusammenarbeitende Alemannenführer, welche größere Heere über längere Distanzen auf Raubzügen führen konnten (vgl. Drinkwater 2007, S. 330 ff.; Geuenich 20052, S. 75 ff.; Halsall 20145, S. 400). Während Hummer erwägt, ob diese Entwicklung möglicherweise auf den Einfluss der Donausueben und deren relativ starkes Einzelkönigtum zurückführbar ist (vgl. Hummer 1998, S. 17 ff.), haben sicherlich auch andere Faktoren dazu beigetragen, allen voran der endgültige Zusammenbruch des weströmischen Reiches und das daraus resultierende Machtvakuum, was in der Nachbarschaft der Alemannen vor allem von den Franken gefüllt worden ist (vgl. Meier 20217, S. 591 ff.). Anders als von anderer Seite in der Vergangenheit postuliert wurde, geht Drinkwater davon aus, dass die Franken zu jener Zeit noch nicht unweigerlich auf dem Weg zur europäischen Supermacht waren. Ähnlich den Alemannen gab es auch unter ihnen mehrere mehr oder minder mächtige Könige, welche um Einfluss sowohl miteinander als auch mit nicht-fränkischen Herrschern rungen. Dass sich Chlodwig am Ende sowohl unter den Franken als auch gegen die Alemannen durchsetzte war nicht vorhersehbar und hätte, so Drinkwater, auch anders verlaufen können. Im politischen Klima der poströmischen Welt hätte sich auch ein alemannischer König gegenüber sowohl seinen „heimischen“, als auch „ausländischen“ Konkurrenten durchsetzen können (vgl. Drinkwater 2007, S. 344 ff.). Dass es am Ende doch nicht so gekommen ist, ist bekannt. Was im Kontext dieser Untersuchung allerdings von großem Interesse ist, ist der fortschreitende Prozess der Ethnogenese, welcher durch die größere politische Kohäsion innerhalb der Alamannia deutlich wird. Diese könnte auf das Erscheinen bzw. die Entwicklung vergleichsweise mächtigerer Könige bzw. Königsfamilien zurückzuführen sein oder aber auf ein gesteigertes „Wir“-Bewusstsein der Bevölkerung der Region – oder beides. Dieses Bewusstsein war wahrscheinlich immer noch auf gewisse lokale Einheiten beschränkt, ähnlich der Situation im vierten Jhd., diese Einheiten dürften aber entsprechend der scheinbaren Machtzunahme der alemannischen Könige des fortgeschrittenen fünften Jhds. größer geworden sein. Die systematische Ansiedelung von Donausueben, auf welche im vorangegangen Kapitel hingewiesen wurde, spricht darüber hinaus für die Kooperationsbereitschaft, welche zwischen den alemannischen Anführern dieser Periode bestanden haben muss.

Wie bereits angesprochen wurde, lässt sich das Erscheinen dieser vergleichsweise mächtigeren Könige möglicherweise durch den Einfluss der Donausueben, welche eine relativ starke Königstradition mit sich gebracht haben könnte, erklären. Dieser Ansatz lässt allerdings außer Acht, dass die Mehrzahl der Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt elbgermanisch oder zu großen Teilen „elbgermanisiert“ gewesen sein dürfte und wie kurz zur Sprache gebracht wurde, brachten diese ersten Siedler bereits beachtliche Könige wie Chnodomar oder Macrian hervor, welche ihrerseits zur Kooperation fähig waren und mit der Hilfe anderer Könige mitunter stattliche Armeen ins Feld führen konnten (vgl. Drinkwater 2997, S. 117 ff.). Darüber hinaus genossen manche dieser Könige überregionalen Einfluss. Auch wenn nicht bekannt ist, was aus den Königsfamilien von welchen wir bei Ammianus Marcellinus hören, wurde, ist es möglich, dass sich manche dieser Familien bis ins fünfte Jhd. in Machtpositionen hielten. Darüber hinaus muss davon ausgegangen werden, dass die Liste der bei Ammianus genannten Könige alles andere als vollständig war. Dass es ähnlich mächtige Anführer im alemannischen Inland gab, welche Rom entweder unbekannt oder für das Imperium irrelevant waren oder schlicht aus der Überlieferung verschwanden, ist möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich. Dass diese in ihrer Gesamtheit im fünften Jhd. untergingen, erscheint dahingegen eher unwahrscheinlich, auch wenn, wie bereits erörtert, generell ein Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen ist. Wenn diese demographische Entwicklung auch den Zusammenbruch mancher der alten Machtzentren bzw. Königsfamilien bedeutet, für was die Aufgabe vieler Höhenburgen im fünften Jhd. spricht (vgl. Halsall 20145, S. 401), könnte dies innerhalb der Alamannia, ähnlich der Entwicklung außerhalb im gesamten römischen Westen, zu einem Machtvakuum geführt haben. Diejenigen Adelsfamilien, welche übrig blieben, konnten ihre Macht daraufhin in das von ihren alten Konkurrenten aufgegebene und darüber hinaus in das von Rom geräumte Gebiet ausbauen. Diese Expansion führte allerdings unweigerlich zum Zusammenstoß mit der anderen gentilen Macht am Rhein, den Franken. Es ist prinzipiell vorstellbar, dass diese Konfrontation weiterhin zur Entwicklung eines Wir-Bewusstseins der Alemannen beigetragen hat. Gegen überregionalen Zusammenhalt oder gar ein Großkönigtum spricht allerdings, dass die Franken die Alemannen nicht in einer Entscheidungsschlacht bei Zülpich, wie in der älteren Forschung angenommen, schlugen, sondern in mehreren Schlachten gegen mehrere alemannische Könige über einen Zeitraum von knapp einem Jahrzehnt langsam unterwarfen (vgl. Drinkwater 2007, S. 344 ff.; Meier 20217, S. 605; Halsall 20145, S. 400 f.). Dies spricht nicht für politische Einheit, sondern nach wie vor für Fragmentierung, welche im Südwesten trotz einer wahrnehmbaren Entwicklung zu größerer Zusammenarbeit und vielleicht sogar zu einem überregionalen Wir-Bewusstseins im Angesicht der Konfrontation mit einer externen Bedrohung immer noch vorherrschte.

Das Fazit, das an dieser Stelle gezogen werden muss, ist das Folgende: Trotz ihrer Existenz in den Quellen über Jahrhunderte hinweg gab es die Alemannen im Sinne eines einheitlichen Volkes oder Stammes, also im Sinne einer politisch gefestigten ethnischen Gruppe am Ende ihrer unabhängigen Geschichte, immer noch nicht.

Es ist möglich, dass sich die Alemannen früher oder später unter einem alemannischen Großkönig vereint hätten, wären sie nicht von den Franken bewältigt worden, Anzeichen für eine entsprechende Machtposition gibt es im fünften Jhd. allerdings kaum (vgl. Halsall 20145, S. 400). Daher ist davon auszugehen, dass es kein vereintes Volk der Alemannen unter einem Großkönig gegeben hat (vgl. Meier 20217, S. 605). Ironischerweise gelangte die Alamannia erst unter der Herrschaft der Franken zu einer gewissen politischen Einheit (vgl. ebd., S. 606; Drinkwater 2007, S. 347). Ob diese auch mit einer ethnischen Einheit gleichzusetzen ist, ist allerdings fraglich. Wie bereits mehrfach angesprochen wurde, handelt es sich bei der Ethnogenese um einen nicht endenden Prozess und der Umstand, dass selbst noch 400 Jahre später sowohl von Alemannen als auch von Sueben bzw. Schwaben gesprochen wurde zeigt, dass man sich immer noch nicht sicher war, wie man die Bewohner des Südwestens nun nennen sollte (vgl. Zettler 2003, S. 15 ff.).

Bevor die Ergebnisse dieser Untersuchung zusammengefasst und ein Resümee zur Ethnogenese der Alemannen gezogen wird, soll nun abschließend noch die relativ neuen Methoden der Archäo- und Populationsgenetik und deren aktueller und potentieller Wert für die Migrationsforschung, welche im Kontext der Ethnogenese selbstverständlich von größter Wichtigkeit ist, untersucht werden.

5 Neue Perspektiven: Archäo- und Populationsgenetik als Werkzeug der Migrationsforschung

Dem aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein, dass insgesamt relativ wenig mit definitiver Sicherheit über die Ethnogenese und in deren Zusammenhang der postulierten Immigration von Nordostmitteleuropäern in den Südwesten gesagt werden kann. Zwar wurde der Standpunkt vertreten, dass es gute Gründe in der Form archäologischer Funde und teilweise auch schriftlicher Überlieferungen gibt, anzunehmen, dass eine Migration grundsätzlich stattgefunden hat, über deren Umfang lässt sich allerdings streiten. Dasselbe gilt für die romanische Bevölkerung in den ehemaligen Provinzen. Auch hier ist unklar, wie viele Individuen zurückblieben und wie diese mit den Immigranten interagierten. Der Großteil der in dieser Untersuchung vorgestellten Ergebnisse spricht für eine eher kleine Restbevölkerung, doch was dies im Detail heißen soll, kann nicht mit Gewissheit festgestellt werden. Die angesprochenen Probleme im Hinblick auf die ethnische Interpretation archäologischer Funde verhindern eine allseits zufriedenstellende Antwort.

Im Angesicht der Schwierigkeiten, mit welchen die klassischen historischen Wissenschaften bei der Klärung migrationsgeschichtlicher Fragestellungen zu kämpfen haben, macht es vielleicht Sinn einen anderen Forschungszweig hinzuzuziehen. Da es bei Migrationen Meier zufolge um „’die auf einen längerfristigen Aufenthalt angelegte räumliche Verlagerung des Lebensmittelpunktes von Individuen, Familien, Gruppen oder auch ganzen Bevölkerungen’.“ (Meier 20217, S. 114 nach Steuer 2002, S. 119; Walter 2004, S. 67) geht, gilt es zu untersuchen, ob eine solche Bewegung stattgefunden hat. Eine Möglichkeit, menschliche Mobilität nachzuvollziehen, bietet die Biologie. Während im größten Teil des letzten Jahrhunderts vor allem die Anthropologie, hier u.a. die Untersuchung von Schädelformen hinzugezogen wurden (vgl. Geary 2020, S. 13 ff.), erfährt die Genetik in den letzten Jahrzehnten größere Beachtung von historischer und archäologischer Seite, auch aufgrund der verbesserten Methoden im Vergleich zu früheren Studien (vgl. ebd., S. 9 f.).

Die Genetik als Methode der historischen Wissenschaften hat jedoch immer noch mit einigen Problemen zu kämpfen. Da es sich bei der Untersuchung von aDNA (ancient DNA, daher wird manchmal auch von Archäogenetik gesprochen) um eine noch relativ junge Disziplin handelt (vgl. ebd.), sieht sie sich mit gewissen „Kinderkrankheiten“ konfrontiert. Ein oft beobachtetes Problem ist die relativ kleine Stichprobengröße der bisher erschienenen Studien, welche selten mehr als einige Dutzend Individuen umfasst, wenn überhaupt . Aufgrund dieses Umstandes werden daher häufig genetische Daten moderner Populationen zum Vergleich hinzugezogen (vgl. Ebenesersdóttir et al. 2018; Martiano et al. 2016; O’Sullivan et al. 2018; Schiffels et al. 2016). Sollte aDNA von Individuen von einem Ort und moderne genetische Daten von Populationen von einem anderen Ort übereinstimmen oder offensichtlich größere Ähnlichkeit im Vergleich zu anderen Populationen aufzeigen, wird (verständlicherweise) postuliert, dass die moderne Population zumindest teilweise von der älteren „Population“ (in Anführungszeichen, da die relativ geringe Stichprobengröße nicht repräsentativ für eine ganze Population ist bzw. sein kann) abstammt. Dieses Abstammungsverhältnis wird dann in Zusammenhang mit historisch belegten Migrationen gebracht, so z.B. die Besiedelung Englands durch Angelsachsen (vgl. Martiano et. al 2016, S. 1 ff.; Schiffels et. al 2016, S. 1 ff.). Dass solche Verbindungen problematisch sind, kann von sowohl historischer als auch von genetischer Seite festgestellt werden. Aus Sicht des Historikers könnte in diesem speziellen Fall argumentiert werden, dass es sowohl vor als auch nach der Ankunft der Angelsachsen Verbindungen über die Nordsee hinweg gegeben hat. Sachsen dienten bereits vor der Aufgabe Britanniens dort (vgl. Halsall 20145, S. 197 ff.) und könnten das genetische Profil des heutigen Englands somit schon früh beeinflusst haben. Darüber hinaus sind spätestens ab dem 8. Jhd. Überfälle von Wikingern aus Jütland für Großbritannien und andere Teile Europas belegt. Viele von diesen ließen sich in den nachfolgenden Jahrhunderten auf den britischen Inseln, vor allem im Osten Englands, nieder (vgl. Wilson 1968, S. 291 ff.). Die genetische Ähnlichkeit zwischen den Individuen, welche von Genetikern als Angelsachsen identifiziert werden, und modernen Mittel- und Nordeuropäern muss also nicht die Konsequenz der angelsächsischen Migration gewesen sein, sondern könnte auch auf frühere oder spätere Wanderungen zurückzuführen sein (vgl. Martiano et. al 2016, S. 6). Darüber hinaus löst die Genetik hier auch nicht das Problem der ethnischen Zuordnung archäologischer Funde. Wie gezeigt wurde, lassen sich archäologische Kulturgruppen nicht ohne Weiteres ethnischen Gruppen zuordnen. Genauso wenig kann man DNA mit Ethnien gleichsetzen (vgl. Halsall 2014, S. 518 f.; Brather 2016, S. 22 ff.). Die Annahme, dass es sich bei den untersuchten Individuen tatsächlich um Angelsachsen gehandelt hat, wird unreflektiert übernommen. Kritiker der ethnischen Deutung archäologischer Kulturen könnten argumentieren, dass hiermit also nicht bewiesen sein kann, dass es sich bei den Individuen um Angelsachsen gehandelt hat, lediglich, dass eine vergleichsweise engere Verwandtschaft zwischen modernen Mittel- und Nordeuropäern einerseits, und völkerwanderungszeitlichen, sowie zum Teil auch modernen Ostbriten andererseits, besteht (vgl. Schiffels et al., S. 1 ff.; Martiano et al., S. 1 ff.). Doch auch dies ist problematisch, zieht man eine Studie zur Besiedelung Islands hinzu.

Die ersten Siedler Islands ließen sich gegen Ende des neunten Jhds. n. Chr. auf der nordatlantischen Insel nieder und stammten wahrscheinlich sowohl aus Skandinavien, als auch von den britischen Inseln. In der hier vorliegenden Studie wurden 27 Individuen auf ihre DNA hin untersucht und mit modernen Populationen der britischen Inseln, Skandinaviens und Islands verglichen. Interessanterweise zeigten die meisten der männlichen Individuen eine größere Ähnlichkeit mit modernen Skandinaviern, wohingegen die meisten weiblichen Individuen am stärksten mit modernen Schotten und Iren korrelierten. Dies scheint auf den ersten Blick zu bestätigen, dass die Bevölkerung Islands zu ähnlichen Teilen aus Populationen der britischen Inseln und aus Skandinavien hervorgegangen ist. Entsprechend wäre zu erwarten, dass diese genetisch zwischen beiden modernen Populationen liegt, was allerdings nicht der Fall ist. Durch ein Phänomen, welches in der Genetik als „genetic drift“ bezeichnet wird, hatte sich die isländische Bevölkerung über das letzte Jahrtausend von beiden Populationen weg entwickelt, jedoch deutlich weiter von der britischen Bevölkerung als von der Skandinavischen. Dies bedeutet, dass sich Populationen selbst über einen evolutionsgeschichtlich relativ kurzen Zeitraum von lediglich einem Millennium merklich weit vom genetischen Profil der ursprünglichen Bevölkerung entwickeln können, selbst in relativer Isolation. Die Autoren der Studie schlagen vor, dass soziales Prestige, welches eine selektive Heiratspraxis begünstigt, unter Umständen hierfür verantwortlich gemacht werden kann. Frauen skandinavischer Herkunft standen vielleicht in höherem Ansehen als Frauen britischer Herkunft (vgl. Ebenesersdóttir et al. 2018, S. 1028 ff.).

Dass die Herkunft die soziale Stellung innerhalb frühmittelalterlicher Gesellschaften nicht maßgeblich beeinflussen muss, zeigt eine Studie aus dem Jahr 2018 welches die Individuen aus einer alemannischen „Adelsgrablege“ um die Jahrhundertwende vom sechsten auf das siebte Jhd. untersucht. Da die in dieser Grablege beerdigten Personen ca. ein Jhd. nach dem in dieser Arbeit untersuchten Zeitraum bestattet wurden und aufgrund der relativen kleinen Stichprobengröße (13 Individuen, von welchen nur bei acht genomweite Analysen durchgeführt wurden) ist diese Studie wenig aussagekräftig für die vorliegende Untersuchung. Da es sich allerdings dem Wissens des Autors nach um die einzige publizierte Arbeit zu den Alemannen auf dem Gebiet der Genetik handelt, sollte sie trotzdem nicht ignoriert werden. Die hier untersuchten Individuen schienen zum größten Teil (6 Individuen) mit modernen nord-, mittel-, und osteuropäischen Populationen zu korrelieren, mit Letzteren am stärksten, während ein vergleichsweise kleiner Teil (2 Individuen) eher mit modernen südeuropäischen Populationen zusammenfiel. In der Studie wurden diese jeweils als „Niederstotzingen North“ und „Niederstotzingen South“ bezeichnet. Es sollte angemerkt werden, dass sich die Individuen der Gruppe Niederstotzingen North trotz ihrer Affinität zu sowohl Nord-, als auch zu Mittel- und Osteuropäern, genetisch nicht stark voneinander unterschieden. Ganz im Gegenteil, die untersuchten Personen waren scheinbar miteinander verwandt, im Gegensatz zur Gruppe Niederstotzingen South, welche weder miteinander, noch mit Niederstotzingen North verwandt waren. Interessanterweise wurden die Angehörigen der „nördlichen“ Gruppe trotz der engen Verwandtschaft mit Grabbeigaben unterschiedlicher Herkunft beigesetzt, vom östlichen Mittelmeer bis zu den Lombarden und Franken, was für weitreichende Verbindungen spricht. Dass die Individuen selbst aus den entsprechenden Gebieten kamen ist zum einen aufgrund der relativ engen Verwandtschaft (mindestens zweiten Grades, teilweise könnte es sich sogar um Väter und Söhne sowie Geschwister gehandelt haben) und zum anderen aufgrund von Strontiumanalysen, welche eine lokale Herkunft befürworten, unwahrscheinlich. Die Autoren der Studie spekulieren, dass die „südliche“ Gruppe u.U. als Kinder in die Gemeinschaft rekrutiert worden sind, um als Krieger zu dienen. Trotz der unterschiedlichen Herkunft und obwohl kein Verwandtschaftsverhältnis zwischen beiden Gruppen bestand wurden beide zusammen in der selben Grablege und mit gleichen Ehren bestattet, was für einen gewissen sozialen Status unabhängig von der ethnischen Herkunft spricht (vgl. O’Sullivan et al. 2018, S. 1 ff.), anders als dies in Island einige hundert Jahre später der Fall war. Ob dies für den gesamten alemannischen Adel oder gar die alemannische Gesellschaft im Allgemeinen gilt, kann hieraus allerdings nicht gefolgert werden. Ob die Affinität der Individuen zu bestimmten modernen europäischen Populationen repräsentativ für die gesamte Bevölkerung Alemanniens ist, ist ebenfalls fraglich. Hierfür sind eine große Anzahl weiterer Studien notwendig, welche nicht nur die Gräber adliger „Alemannen“, sondern auch die Mitglieder niedrigerer Gesellschaftsschichten untersuchen. Fragen nach der Herkunft und der ethnischen Zusammensetzung der Alemannen können somit anhand dieser Studie nicht beantwortet werden, natürlich auch aufgrund des Vergleichs zu modernen, anstelle von historischen Populationen, was – wie bereits besprochen – aufgrund von Phänomenen wie dem „genetic drift“ wenig aussagekräftig ist.

Was allerdings aus den hier vorgestellten Studien geschlussfolgert werden kann, ist, dass genetische Untersuchungen zwar bei der Erforschung historischer Migrationen helfen können, es jedoch kritischer historischer Interpretation, bestenfalls auch unter Zuhilfenahme der Archäologie, bedarf, um die Ergebnisse sinnvoll zu deuten. Aus diesem Grund ist es für die Inkorporierung der Genetik als Hilfsmittel der historischen Wissenschaften von außerordentlicher Wichtigkeit, dass Historiker, Archäologen, Genetiker und idealerweise auch Sprachwissenschaftler bei der Planung, Durchführung, Analyse und der Deutung der Ergebnisse genetischer Studien zu historischen Migrationen eng zusammenarbeiten und Methoden und Fragestellungen im Vorhinein festlegen (vgl. Geary 2020, S. 30 ff.). Wenn dies der Fall ist, könnten solche Studien bei der Untersuchung der Ethnogenese völkerwanderungs-zeitlicher Ethnien Entscheidendes beitragen. Hierbei sollte es jedoch nicht nur um die Herkunft solcher Populationen gehen, sondern auch um soziale und kulturelle Entwicklungen, wie schon bei der Untersuchung des genetischen Profils der Bevölkerung Islands und der alemannischen Adelsgrablege der Fall war: Wie interagierten Immigranten und Einheimische? Wie verhielten sich Immigranten unterschiedlicher Herkunft zueinander? Hatte die Herkunft Einfluss auf soziales Prestige, waren Eliten ethnisch bestimmt? Waren Ehen zwischen verschiedenen Gruppen üblich und wie gestaltete sich das Leben der Nachkommen solcher Zusammenkünfte?

Aufgrund der relativ geringen Anzahl genetischer Studien zur Völkerwanderungszeit und der teilweise fragwürdigen Methoden lassen sich diese Fragen im Moment bedauerlicherweise noch nicht beantworten. Speziell zur Bevölkerung des südwestdeutschen Raumes in dieser Periode gibt es momentan noch nicht ausreichende genetischen Studien. Es besteht allerdings wenig Grund daran zu zweifeln, dass die Genetik durch die bereits begonnene engere Zusammenarbeit mit Experten der historischen Wissenschaften und auch Sprachwissenschaftlern in der nicht allzu fernen Zukunft zu einem wichtigen Werkzeug der historischen Forschung werden wird und dass auch die Alemannen Gegenstand solcher Untersuchungen sein werden, was zu der Klärung der Fragen nach der Herkunft alemannischer Siedler, des Fortbestehens der romanischen Provinzbevölkerung, der Interaktion beider Gruppen miteinander und des sozialen Gefüges in der frühen Alamannia, oder anders gesagt der Identität und damit der Ethnogenese der Alemannen, beitragen wird.

6 Ausblick und Fazit

Bei der Ethnogenese der Alemannen handelt es sich um ein äußerst komplexes Thema, über welches seit Jahrzehnten diskutiert wird. Während die ältere Sicht der Forschung, bei den Alemannen handelte es sich um einen Stamm, welcher sich in Innergermanien gebildet hatte und von dort aus den Limes überrannte, woraufhin die Bevölkerung des Dekumatlandes entweder vertrieben, versklavt oder ermordet wurde, um Platz für die eigenen Leute zu machen, mittlerweile als überholt gilt, lässt das neue Modell dennoch Fragen offen, angefangen von der Ersterwähnung der Alemannen bis zum Zeitpunkt des Verlustes ihrer Unabhängigkeit. Am Wichtigsten für diese Untersuchung ist jedoch die Frage nach der Identität der Alemannen: Hat es den Stamm der Alemannen im untersuchten Zeitraum vom dritten bis zum fünften Jhd. als solchen überhaupt gegeben?

Während in den 90er Jahren des letzten Jhds. überwiegend davon ausgegangen wurde, dass die Alemannen erst gegen Ende des dritten Jhds. belegt sind, scheint die jüngere Forschung eher dazu geneigt anzunehmen, dass die Alemannen bereits zu Beginn des Jhds. die Bühne der europäischen Geschichte betreten hatten. Je nachdem, ob der Standpunkt vertreten wird, dass es sich bei den Alemannen tatsächlich um einen Stamm oder einen Stammesverband gehandelt hat oder aber überwiegend um ein römisches Konstrukt hat diese Vorverlegung teilweise dramatische Konsequenzen. Wird erstere These vertreten, würde dies bedeuten, dass sich die Alemannen tatsächlich schon vor dem Limesfall gebildet haben, was allerdings aufgrund der Art und Weise, wie das Dekumatland von hauptsächlich elbgermanischen Verbänden besiedelt wurde, immer noch unwahrscheinlich erscheint. Hätte es die Alemannen als Einheit bereits im dritten Jhd. gegeben, so hätte man mit einer besser organisierten, systematischen Inbesitznahme des aufgegebenen Provinzgebietes gerechnet. Stattdessen gibt es zu dieser Zeit kaum Anzeichen neuer germanischer Siedlungen. Daher hat es sich bei denjenigen Alemannen, von welchen wir im dritten Jhd. hören, wahrscheinlich lediglich um umherschweifende, pendelnde Kriegergruppen gehandelt, welche nach mehr oder weniger erfolgreichen Raubzügen zurück in ihre Heimat kehrten. Anzeichen für ein geeintes Volk oder für einen Stamm der Alemannen gibt es jedenfalls nicht.

Im vierten Jhd. ändert sich die Lage dann allmählich. Die archäologischen Funde häufen sich, auch in Form von ersten Siedlungen und sogar Zentren politischer und militärischer Macht: Den Höhenburgen. Es wird auch zum ersten Mal von alemannischen Königen berichtet, welche auch zur Kooperation untereinander in der Lage waren. Diese Bündnisse scheinen allerdings zeitlich und räumlich stark begrenzt gewesen zu sein. Überregional greifende Strukturen hat es in der Alamannia zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegeben. Auch die in diesem Jhd. prominent auftauchenden „Teilstämme“ sind wahrscheinlich kein Indiz für größere Kohäsion, selbst auf lokaler Ebene. Vielmehr scheint es sich bei Selbigen größtenteils um römische Konstrukte zur einfacheren Handhabung der neuen Nachbarn zu handeln, sowohl aus politischer als auch aus militärischer Sicht. Dies soll allerdings nicht heißen, dass im vierten Jhd. keine signifikanten Veränderungen stattfanden. Das Auftauchen von Siedlungen und Burgen, sowie von ersten Königen, wenn diese auch stark in ihrer Macht und in ihrem Einfluss beschränkt gewesen sind, spricht von einer höheren Bevölkerungsdichte und zumindest von temporär existierenden Gruppen, welche auf lokaler Ebene den Prozess der Ethnogenese angestoßen haben könnten. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Bewohner des Dekumatlandes schon ein überregionales Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt hätten und ist somit auch kein Indiz für die Existenz der Alemannen als solches. Daher muss an dieser Stelle der Schluss gezogen werden, dass es sich bei jenen, wie bei den meisten Teilstämmen, lediglich um eine römische Erfindung handelte: Zum ersten schlicht und einfach zum Zweck der Kategorisierung der Nachbarn, zum zweiten zur einfacheren politischen Handhabung, besonders im Hinblick auf das Schließen von Verträgen, und zum dritten als effektives Propaganda-Werkzeug. Ein Volk der Alemannen im Kampf zu besiegen ist sehr viel glorreicher, als eine oder einige Banden unter lokalen Kleinkönigen, welche wahrscheinlich seltenst schlagkräftige Heere auf die Beine stellen konnten.

Eine wirklich tiefgreifende Veränderung scheint sich in der Alamannia erst im fünften Jhd. anzubahnen. Spuren der verbleibenden römischen Restbevölkerung verschwinden an vielen Orten, außer in den Städten und in grenznahen Gebieten. Allgemein scheint sich die Bevölkerungsdichte zunächst zu verringern, was vielleicht mit dem Kollaps des weströmischen Reiches und dem Ende des lukrativen Söldnerdaseins alemannischer Könige und deren Gefolgschaften in Verbindung gebracht werden kann. Viele Höhenburgen werden zu dieser Zeit auch aufgegeben. Gleichzeitig zeichnen sich neue Einflüsse aus dem Osten ab, welche oftmals mit dem Auftauchen einer Alternativbezeichnung der Alemannen in Verbindung gebracht wurden: Im Verlauf des fünften Jhds. scheinen Donausueben von der mittleren Donau in die Alamannia gezogen zu sein. Zur selben Zeit werden die Alemannen selbst auch als Sueben bezeichnet. Ob dieser Umstand direkt auf die Zuwanderung von Donausueben zurückzuführen ist, oder aber ob die Alemannen schon davor aus suebischen Elementen bestanden, ist nicht vollständig geklärt, wobei eine Kombination beider Erklärungsansätze am wahrscheinlichsten erscheint. Im fünften Jhd. tauchen zum ersten Mal auch stärkere, einflussreichere Könige unter den Alemannen auf, von welchen die meisten allerdings nicht namentlich belegt sind. Diese Entwicklung kann vielleicht auch auf den Einfluss der Donausueben zurückgeführt werden, andere Faktoren, so wie das durch das Ende Westroms entstandene Machtvakuum und die Auseinandersetzung mit den Franken haben allerdings sicherlich auch beigetragen.

Gegen Ende des Jhds. scheinen die neuen alemannischen Könige auf dem Höhepunkt ihrer Macht angekommen zu sein. Der Umstand, dass neben dem Begriff der Alemannen nun auch ein älterer Stammesname auftaucht, kann vielleicht als ein erster Schritt in Richtung einer überregionalen Identität interpretiert werden, sollten sich die Einwohner der Alamannia auch selbst als Sueben bezeichnet haben. Ein wichtiger Bestandteil des Ethnogenese-Prozesses laut Wenskus ist das Finden einer eigenen Identität durch die Berufung auf eine gemeinsame Abstammung. Wenn es sich bei den Sueben um eine frühen, multiethnischen Verband politischer und/oder kultureller Natur handelte, boten sich diese vielleicht als Vorbild für die ähnlich fragmentieren Alemannen an. Sollte es sich bei Teilen der Elbgermanen tatsächlich um Sueben gehandelt haben, dann gäbe es auch eine tatsächliche Verbindung, auf welche zurückgegriffen werden konnte. Da es allerdings äußerst problematisch ist, archäologische Kulturgruppen mit historisch belegten Ethnien (wenn es sich bei den Sueben überhaupt um eine Ethnie gehandelt hatte) in Verbindung zu bringen, lässt sich dies allerdings nicht definitiv nachweisen. Selbst wenn genetische Untersuchungen der Zukunft eine enge biologische Verbindung zwischen Nordostmitteleuropäern der Kaiserzeit und den augenscheinlich elbgermanischen Siedlern der Spätantike und des frühen Mittelalters nachweisen, so bleibt das Problem bestehen, dass man nicht weiß, ob sich alle oder Teile der Elbgermanen tatsächlich als Sueben bezeichneten bzw. fühlten.

Die Geschichte der unabhängigen Alemannen findet ihr Ende in der Konfrontation mit den Franken. Der Umstand, dass die Alemannen in mehreren Schlachten unter mehreren Königen über den Zeitraum von einem Jahrzehnt und nicht auf einmal in einer Entscheidungsschlacht geschlagen wurden spricht dabei für die politische und ethnische Uneinigkeit in der Alamannia, trotz des augenscheinlich fortschreitenden Prozesses der Ethnogenese.


War der Vorgang hiermit abgeschlossen? Im Laufe der Arbeit wurde des Öfteren darauf hingewiesen, dass eine Ethnogenese niemals wirklich abgeschlossen sein kann, und das gilt auch für die Alemannen. Auch wenn die Inkorporierung der Alamannia in das Frankenreich der Region zum ersten Mal seit römischer Herrschaft einen festen und klar definierten politischen Rahmen gab bedeutet das nicht automatisch, dass sich die Bewohner dieses Gebietes nun als ein Volk, als Alemannen oder gar als Franken verstanden. Vielmehr fanden sich neue Einflüsse in der Alamannia wieder, sowohl aus fränkischen als auch als anderen, benachbarten Gebieten, wie Thüringen, welche das Leben und das Denken derjenigen Menschen, welche zuerst von den Römern und nun von den Franken als Alemannen bezeichnet wurden, beeinflussten.

Ziel dieser Arbeit war es, die Ethnogenese der Alemannen zu untersuchen, was sich im Nachhinein als ein Unterfangen entpuppt hat, das über den Rahmen der Arbeit hinausgeht. Wenn nach Ethnien gefragt wird, wird nach Identität gefragt, nach Zusammengehörigkeitsgefühl und -bewusstsein. Dass es ein solches unter den Alemannen gab ist für den Großteil ihrer unabhängigen Geschichte höchst unwahrscheinlich. Von einem sog. Traditionskern in Form eines mächtigen Personenverbandes im Zentrum der alemannischen Gesellschaft, welcher jene über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte hinweg zusammenhielt sind auch keine Spuren zu finden. Dass sich im vierten und v.a. im fünften Jhd. allerdings Prozesse anbahnten, welche die Entstehung einer alemannisch-schwäbischen Identität im Südwesten angestoßen haben, scheint der Fall zu sein. Diese Prozesse waren zur Jahrhundertwende des fünften auf das sechste Jhd. allerdings keinesfalls abgeschlossen: Sie kamen gerade erst in Fahrt. Mithilfe eines kritischen Umgangs mit der (Archäo-)Genetik als Werkzeug der historischen Wissenschaften könnte es in Zukunft möglich werden mehr Licht auf einige dieser Vorgänge zu werfen, speziell auf die Interaktion verschiedener Bevölkerungsgruppen miteinander und deren Rolle in der frühen alemannischen Gesellschaft. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass sich Alemannen und Gallo-Romanen, sowie später auch Franken, genetisch hinreichend voneinander unterschieden um überhaupt erst voneinander differenziert werden zu können. Herauszufinden ob dies der Fall ist und welche Implikationen dies für die Migrationsforschung und die Untersuchung des Phänomens der Ethnogenese hat, wird Aufgabe einer neuen Generation von Historikern, Archäologen, Sprachwissenschaftlern und Genetikern sein, welche durch die Kombination traditioneller und neuartiger Methoden dazu in der Lage sein wird, ein detaillierteres und differenzierteres Bild der Vergangenheit als zuvor zu zeichnen.

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